Ich bin heute
so ganz verzweifelt ins
Bureau gekommen und habe Deinen lieben Brief gefunden! Du
bi
st wirklich mein einziger Tro
st in die
ser
so bitterlich
schweren Zeit, und ich
danke Dir von ganzem Herzen für die
se Güte, die
se Treue, die
se Freund
schaft, die das
Be
ste i
st, was mir das Leben noch geboten. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob ich
irgend etwas lei
ste, und in der Entmuthigung, in die ich
so ver
sunken bin, i
st mir
ein
e Beifallszeichen, wie das Deinige ein Halt und
|ein An
sporn, de
ssen Werth ich Dir nicht mit Worten zu
schildern vermag. Ich weiß
ja, wie
sehr der Wun
sch, mir Gutes zu erwei
sen, Dein Urtheil zu meinen Gun
sten
beeinflußt. Aber wenn auch die Selb
sterkenntniß die nöthigen Subtractionen macht,
so
bleibt doch noch genug übrig, um Einem das Herz mit freudigem Stolz zu erfüllen. Ich
danke Dir viel tau
sendmal.
Gerade in die
sen Tagen bin ich wieder einmal vor die Exi
stenzfrage ge
stellt. Mein
Blatt beutet mich
|in
schamlo
ser Weise aus. Ganz abge
sehen davon, daß
es fraglich i
st, ob meine Kräfte noch zur weiteren Lei
stung der Rie
senarbeit
ausreichen, kann ich mit dem Bettellohn, den man mir zahlt, nicht mehr auskommen.
Ich
habe nach zwei Jahren zum er
sten Mal um eine kleine Erhöhung gebeten. Man hat
sie mi
×↓r↓ rundweg abge
schlagen; noch mehr: man hat mir mein Spe
senconto, das
schon
jetzt in keiner Wei
se mehr ausreicht, um die Hälfte reducirt; und man hat mir bar
sch
|zu ver
stehen gegeben: wenn mir das nicht paßte,
so
sollte ich es umgehend mittheilen, damit die
Zeitung Schritte zur Neube
setzung meines Po
stens thun könne.
Ich bin
schon
so gedehmüthigt, daß
di ich die morali
sche Erniedrigung in dem Allen kaum mehr ver
spüre. Aber die
prakti
sche Frage tritt drohend vor mich heran. Ich
stehe vor meinem Ruin. Nirgends
ein Ausweg zu finden. Wäre es nicht möglich, daß Du oder einer der Freunde mir
irgendwo einen
s↓k↓leinen
stillen Po
sten ver
schaffen könntet? Gleichgiltig in welchem Beruf.
|Bitte, lieb
ster Freund,
schick’ mir noch zwei
Anatol-Exemplare. Ich brauche
sie hier in Deinem Intere
sse. Vielleicht kann ich Dir
doch hier eine Be
sprechung ver
schaffen. In der
Frankfurter Zeitg. komm
st Du demnäch
st an die Reihe.
Bitte, danke auch Herrn
Salten für
seine freundlichen Worte, die mich
sehr bewegt haben, und ver
sichere ihn
meiner aufrichtigen Ergebenheit. Er möchte mir auch einmal etwas
|von
sich
schicken, und er
soll nach
Paris kommen. Danke auch all’ den lieben Leuten für ihren Neujahrswun
sch
Ich grüße Dich von Herzen, mein theurer Freund, und bitte Dich, mir so treu zu
bleiben, wie ich Dir bin.
Dein
Paul Goldmann.