|Ver
suche ich, mein
lieber und verehrter Gerhart Hauptmann, während ich mich in Gedanken mit Ihrem
bevor
stehenden Geburtstage be
schäftige, mir die einzelnen Momente un
serer
Bekannt
schaft oder, wenn ich mich kühner ausdrücken
soll, die Ge
schichte un
serer
Beziehungen zu vergegenwärtigen,
so wundere ich mich
selb
st, wie
spärlich an Zahl und
wie kurz geme
ssen die per
sönlichen Begegnungen
sind, die ich in meinem Gedächtnis
verzeichnet finde. Ich denke des Abends bei
Brahm im Jahre
1896, an dem ich Sie kennenlernte –, eines Spazierganges in der
Semmeringer Land
schaft im
Winter 1899, der grauverhängten, doch warmdurchleuchteten
Spätoktobertage 1902 in Ihrem
Agnetendorf, des traurigen
Novembertages 1912, an dem wir un
serem dahinge
schiedenen wunderbaren
Freunde in einer dämmerigen Halle
Ab
schiedsworte in den Sarg nachriefen –, und endlich einer letzten, vorläufig letzten
harmlo
sen, doch nicht unbe
schwingten Unterhaltung in
Wien. Wenn ich
so, mit anderen mehr oder minder flüchtigen Begegnungen alle
Stunden zu
sammenrechne, in denen wir uns von Ange
sicht zu Ange
sicht gegenüber
saßen,
so kommt gewiß keine ganze Woche heraus. Wie erkläre ich’s mir nur, daß mir heute
trotzdem zumute i
st, als richtete ich die
se Worte nicht nur an den weltberühmten
Dichter,
sondern als dürfte ich zugleich zu einem Freunde
sprechen, zu einem lieben
alten Freunde, der mir das von Jahr zu Jahr in höherem Maße wurde – ohne
sein oder
mein Dazutun, einfach durch die Tat
sache
seines Da
seins und Wirkens? Da ich mich von
aufdringlichen Neigungen ziemlich frei weiß,
so i
st die
ses Gefühl zum Teil gewiß
darin begründet, daß Kün
stler Ihrer hohen und reinen Art, je ent
schiedener
sie der
Welt gehören, eine immer wärmere Atmo
sphäre der Men
schlichkeit und Beglückung um
sich
verbreiten, an der jeder Empfängliche, jeder Dankbare teilnehmen darf. Da aber nicht
alle die
se Dankbar-Empfänglichen
schon darum allein das Recht für
sich in An
spruch
nehmen dürften, einen Mann wie Sie mit dem
stolzen Worte Freund zu grüßen,
so wage
ich es, meine wirkliche oder eingebildete Berechtigung dazu aus der Empfindung
herzuleiten, daß mir aus Ihrem We
sen, abge
sehen von jenem allgemein-zugänglichen
Glanze, etwas entgegen
strahlt, das in irgendeiner Weise mir ganz per
sönlich gilt –
vielleicht als einem, der ungefähr gleichaltrig mit Ihnen, dem gleichen Berufe
hingegeben, nun
seit
so langer Zeit in be
scheidener Nachbar
schaft
seine Straße zieht
und de
ssen innige Bewunderung für Sie und Ihr Werk im Laufe die
ser Jahre nicht nur
ihm
selb
st,
sondern auch Ihnen immer
stärker bewußt wurde. Wenn der geheimnisvolle
Satz von den Parallelen, die
sich er
st in der Unendlichkeit begegnen, auch für
Men
schenwege zutrifft, die in der gleichen Ebene laufen,
so mag er für Dichterwege
ganz be
sonders gelten, – und je mehr wir abendwärts wandeln, jener Unendlichkeit zu,
die uns einmal alle umfangen wird, um
so mehr
scheinen für un
ser
sterbliches Auge
sich die
se Wege einander zu nähern und um
so vertrauter klingen Rufe aller Art
zwi
schen den Wanderern hin und her. Wenn Sie heute, Gerhart Hauptmann, aus den meinen
herausgehört haben, was Sie und Ihre Kunft mir bedeuten,
so will ich zufrieden
sein
und Ihnen nicht er
st ausdrücklich und ausführlich
sagen, welche Wün
sche ich Ihnen,
mir und uns allen aus erfüllter Seele darbringe.