22. 12. 1915.
Lieber und verehrter Freund.
Herzlichsten Dank für Ihre rasche Antwort
↓,↓ und zugleich
eine Aufklärung. Es ist mir gar nicht eingefallen eine
↓»↓Anspielung
↓«↓ zu machen, d
a↓e↓nn das, worauf ich Ihrer Meinung nach angespielt habe, ist mir bis zum
Eintreffen Ihres Briefes total unbekannt geblieben. Wenn ich diesen richtig
verstanden habe, hat man Ihnen offenbar Aeusserungen in den Mund gelegt, die Sie
niemals getan haben. Mir ist gleich zu Anfang des Krieges ganz Aehnliches passiert.
Von Freunden in
Russland wurde ich in Kenntnis
gesetzt, es sei in dortigen Zeitungen ein
Interview erschienenen, in dem ich irgend einem
Journalisten gegenüber die
albernsten Dinge über
Tolstoi,
Anatole France,
Shakespeare und
Maeterlin↓c↓k geäussert hätte. Man riet mir dringend etwas
dagegen zu unternehmen (was ich anfangs nicht wollte), weil man in
Russland all diesen Unsinn glaubte. Durch
Vermittlung
Romain Rollands liess ich nun in
Schweizer Blättern eine Entgegnung
erschei
|nen, in der ich versicherte, dass ich
niemals ein Wort von all dem Widersinn geäussert und bald darauf stellte sich das
Ganze auch als die Mystifikation irgend eines
russischen Winkelblattes heraus.
Hingegen wurde ich von gewissen
deutschen und
österreichischen, selbstverständlich
antisemitischen Blättern in der blödesten Weise angegriffen, weil ich es für
notwendig gefunden hatte jene erlogenen Aeusserungen über die feindesländischen
Dichter richtig zu stellen. Und noch bei Gelegenheit meiner letzten
Premiere bekam ich es in irgend einem solchen, sich
patr
↓i↓otisch gebärdenden Journal zu lesen, dass mir das
Organ für diese Zeit fehle, wie ich ja schon zu Beginn des Krieges (wörtlich)
»
Torheiten über unsere Feinde« geäussert. Sie können sich also denken, lieber Freund,
dass es mir schon a priori näher liegen müsste
dergleichen Zeitungsgeschwätz anzuzweifeln als es auf Treu und Glauben
hinzunehmen. Meine von Ihnen missverstandene Bemerkung aber bezog sich nur auf den
Umstand, dass unseres Wissens in den
|ersten
Monaten des Krieges die Presse aller neutralen Länder ihre Nachrichten – nicht nur
über den Krieg selbst, sondern auch über die
inneren
Zustände
Deutschlands und
Oesterreich-Ungarns in reicherem Mass von der Entente als von
den Zentralmächten bezog, sowie ich mich auch gedrängt fühlte
Freunde in
Amerika in diesem Sinne nach Möglichkeit aufzuklären (was übrigens zur Folge
hatte, dass einer dieser Privatbriefe ganz entstellt in ein
New-Yorker Blatt und von dort
wieder
↓–↓ noch entstellter in deutsche Blätter überging.
Also ich denke wir wissen beide wie viel wir von dem zu halten haben, was in den
Zeitungen steht
.↓!↓↓)↓
Für heute nur so viel; mögen Ihnen die Feiertage lauter Gutes, insbesondere völlige
Genesung bringen und uns allen eine gegründetere Hoffnung auf die baldige Wiederkehr
schönerer Zeiten, als wir sie nach dem augenblicklichen Stand der Dinge hegen
dürfen.