|Kopenhagen d.
13 December 15
Verehrter FreundEs war mir eine angenehme Ueberraschung, so bald
von Ihnen zu hören. Ich erwartete das nicht. Ich bin leider bettlägerig. Sie wissen
als Artzt, wie langwierig dies verdammte Uebel ist, gegen welches das Serum erst zehn
Jahre nach meinem Tode gefunden wird. Warme Umschläge imponiren den Bacillen nicht,
und ich kann ihnen das nicht verdenken.
Peter Nansen soll besser sein. Es ist nur eine
Bronchitis, die ein schwaches Fieber verursacht.
Sie haben ja völlig und unbestrittenes Recht, wenn Sie behaupten, als Dramatiker
nicht mit irgend einer Ihrer Persönlichkeiten identisch zu sein. Aber die
Schlussscene scheint mir jedoch
den Totaleindruck zusammenfassen zu sollen.
|Ueber die Feierlichen denke ich
natürlich wie Sie. Da ich die 20 Jahre älter bin gewiss mit noch grösserem Widerwille
als Sie.
Was Sie über die Kritiker sagen erstaunt mich nicht; ich kenne nichts widerlicheres
und dümmeres.
Lassalle sagte »Zwei Arten von Menschen sind mir vor Allem verhasst
Journalisten und Juden – und ich bin beides.«–
Ich hasse die Kritiker und verachte sie, besonders die moralisierenden.
Einen Punkt muss ich beantworten, eine schwache
Andeutung↓Anspielung↓. Sie sagen, ich wisse wohl jetzt mehr über den Krieg als im Anfang. Einst
schrieben Sie mir ebenfalls, ich solle doch nicht glauben, in
Wien herrsche Hungersnoth.
|Ich vergass damals zu
antworten.
Irgend ein erbärmlicher Wicht von
Journalist, der in einem
dänischen Blatt irgend einen der gewöhnlichen idiotischen
Artikel von einem sogenannt
russischen Correspondenten gelesen
hatte, bekam den Einfall, im Anfang des Krieges,
mich
deshalb anzugreifen,
mich dafür verantwortlich zu
machen. Darin soll gestanden haben, in
Wien
hungere man.
Ich hatte den
Artikel nie gelesen, nie gesehen, viel weniger geschrieben
oder aufgenommen. Nun ging diese Idiotie
wie ein Lauffeuer durch die
deutsche und
österreichische Presse, mit imbecilen
Schimpfworten gegen mich.
Sie scheinen daran geglaubt zu haben. So sind wir alle. Wie viele tausend Mal wir
erfahren haben, dass das Gedruckte |nur Lüge war, immer wieder glauben wir an etwas.
Mein junger
Schwiegersohn ist
noch nicht verwundet, aber leidet grässlich an
Leere,
fühlt es, als verliere er den Verstand, werde alt und grau. Es ist immer besser als
Wunden und Tod.
Ich bin von ganzem Herzen Ihr Freund
G B