|Wien, am
26. September 1915
Hochverehrter Herr Doktor!
Es hat mir außerordentlich leid getan, Sie bei meinem Be
suche nicht anzutreffen. Ich
wollte Ihnen die für mich
sehr
schmerzliche Mitteilung machen, daß der
Fischer’sche Verlag »weder einen inneren noch
einen äußeren Anlaß« gefunden hat, die »
Fremdenszenen« zu übernehmen, und ich benütze jetzt den er
sten Moment der
Ruhe, den mir Amtsge
schäft und die endlo
sen Mühen der Über
siedlung nach
Wien freila
ssen, Ihnen die
se Nachricht, die Ihnen
wohl
schon direkt zugekommen
sein mag, zu übermitteln.
Daß ich Ihnen für Ihre gütige Vermittlung außerordentlich dankbar bin und daß mich
das |Interesse, das Sie als Einziger meinen Arbeiten
entgegenbrachten, innerlich stärkt und tröstet, habe ich Ihnen schon gesagt und ich
werde nicht müde, Ihnen meinen Dank zu wiederholen.
Ich bin seit einiger Zeit von
Zistersdorf nach
Wien ver
setzt, hier provi
sori
sch dem
Bezirksgericht Floridsdorf zugeteilt und verbringe
meine Tage auf der Elektri
schen (der Weg von
Meidling nach
Floridsdorf i
st
schrecklich
weit!) und mit der Aburteilung größtenteils recht unintere
ssanter Straffälle.
Meine unglückselige Arbeit verschließe ich, indem ich diese Enttäuschung, wie so
viele früher, geduldig trage, zu den andern nicht glücklicheren Arbeiten in die
Schreibtischlade und warte auf bessere Zeiten, um mit einer neuen Arbeit den Kampf um
Geltung in einer Literatur wiederaufzunehmen, die von mir halt absolut nichts wissen
will. Daß ich die|sen Kampf noch nicht aufgegeben
habe, ist mir einigermaßen selbst rätselhaft. –
Mit der Versicherung meiner Dankbarkeit und Hochachtung Ihr sehr ergebener
DrRAdam