Arthur Schnitzler an Albert Ehrenstein, 9. 2. 1911

|Dr. Arthur Schnitzler 9. 2. 1911.

Sehr geehrter Herr Doktor.

Gestern erhielt ich einen Brief von Stefan Grossmann, der unter anderem folgende Stelle enthält: »Ein junger Literat (von Talent) Herr Ehrenstein erzählt verschiedenen Leuten unter anderm auch dem Fackel-Kraus, Sie hätten ihm ›bestätigt‹, dass ich meine Macht als Kritiker zu erotischen Erpressungen an Schauspielerinnen ausgenützt hätte.« Zugleich bittet er mich um eine Silbe darüber, dass ich eine solche Bestätigung nicht gab, »wie ich sie ja auch nicht geben konnte.«
Ich habe Herrn Grossmann wie natürlich den Tatsachen entsprechend geantwortet, dass ich Ihnen ein solches Gerücht nicht bestätigt habe und nicht bestätigen konnte, da ich es von keine Seite, auch von Ihnen selbst nicht –, jemals vernommen hatte. Hiemit wäre die Sache nach der einen Seite abgetan. Was aber aus der Geschichte leider hervorgeht ist, dass Sie sich befugt finden Privatge|spräche zwischen mir und Ihnen weiter zu tragen – in Kreise, die mir äusserlich und innerlich ferne sind und bleiben sollen. Dem gegenüber kommt ja meiner Auffassung nach kaum sonderlich in Betracht, dass Sie wie dieser Fall beweist, bei solcher Gelegenheit Ihre Phantasie in entstellender ja wie es scheint in erfindender Richtung walten lassen. Denn wenn ich hier auch die Möglichkeit von Missverständnissen im weitesten Ausmass zugestehen wollte, es ist jedenfalls total ausgeschlossen, dass sich Grossmann und Kraus diese Fabel einfach aus den Fingern gesogen hätten. Dass ich bei meinem Ihnen bekannten Ekel vor Literatengezänk – und Geklatsch mich unter diesen Umständen genötigt sehe auf die Fortsetzung eines persönlichen Verkehrs mit Ihnen zu verzichten, werden Sie ohneweiters einsehen, mit welcher Erklärung die leidige Angelegenheit für mich, der ich Wichtigeres zu tun habe, ein für alle Mal erledigt ist.
Hochachtungsvoll
 [handschriftlich:] Dr Arthur Schnitzler
[maschinenschriftlich:] Herrn Dr. Albert Ehrenstein, Wien.
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