Gestern erhielt ich einen Brief von
Stefan
Grossmann, der unter anderem folgende Stelle enthält: »Ein junger
Literat
↓(↓von Talent
↓)↓ ↓Herr Ehrenstein↓ erzählt verschiedenen Leuten unter anderm auch dem
Fackel-
Kraus, Sie hätten
ihm ›bestätigt‹, dass ich meine Macht als Kritiker zu erotischen Erpressungen an
Schauspielerinnen ausgenützt hätte.« Zugleich bittet er mich um eine Silbe
darüber, dass ich eine solche Bestätigung nicht gab,
↓»↓wie ich sie ja auch nicht geben konnte.
↓«↓
Ich habe Herrn
Grossmann wie natürlich den
Tatsachen entsprechend geantwortet, dass ich Ihnen ein solches Gerücht nicht
bestätigt habe und nicht bestätigen konnte, da ich es von keine Seite, auch von
Ihnen selbst nicht –, jemals vernommen hatte. Hiemit wäre die Sache nach der
einen Seite abgetan. Was aber aus der Geschichte leider hervorgeht ist, dass Sie
sich befugt finden Privatge
|spräche zwischen mir und Ihnen
weiter zu tragen – in Kreise, die mir äusserlich und innerlich ferne sind und
bleiben sollen. Dem gegenüber kommt ja meine
↓r↓
Auffassung
↓nach↓ kaum
mehr↓sonderlich↓ in Betracht, dass Sie wie dieser Fall beweist, bei solcher Gelegenheit
Ihre Phantasie in entstellender ja wie es scheint in erfindender Richtung walten
lassen. Denn wenn ich hier auch die Möglichkeit von Missverständnissen im
weitesten Ausmass zugestehen wollte, es ist jedenfalls total ausgeschlossen,
dass sich
Grossmann und
Kraus diese Fabel einfach aus den Fingern gesogen hätten.
Dass ich bei meinem Ihnen bekannten Ekel vor Literatengezänk – und Geklatsch
mich unter diesen Umständen genötigt sehe auf die Fortsetzung eines persönlichen
Verkehrs mit Ihnen zu verzichten, werden Sie ohneweiters einsehen, mit welcher
Erklärung die leidige Angelegenheit für mich, der ich Wichtigeres zu tun habe,
ein für alle Mal erledigt ist.
Hochachtungsvoll
[handschriftlich:] Dr Arthur Schnitzler
[maschinenschriftlich:] Herrn Dr. Albert Ehrenstein,
Wien.