Schönsten Dank für Deinen lieben Brief. Jedenfalls tut es mir leid, dass Du nicht
über mein
Stück schreiben wirst,
denn was immer Du unter den Unannehmlichkeiten verstehst, die daraus für Dich, für
mich, für alle Beteiligten folgen könnten, für mich wären sie jedenfalls durch das
Vergnügen reichlich aufgewogen eine ausführliche Darlegung Deiner mir immer
wertvollen Meinungen zu lesen. Ueberdies erscheint das
Stück etwa acht Tage
vor der Premiere im Buchhandel, so dass eine Aeusserung über das Werk als
solches ohne Rücksicht auf die Darstellung nicht als unstatthaft aufgefasst werden
könnte.
Das Missverständnis, das Du befürchtest, ich hätte in dem
Medardus einen tragischen Helden zeichnen
wollen, kann meines Erachtens als solches überhaupt nicht auftreten. Dass Viele sich
so stellen werden, als glaubten sie, ich selber hielte den
Medardus für einen tragischen Helden, ist
hingegen selbstverständlich. In
dieser Voraussicht war
ich nahe daran der Buchausgabe ein kurzes Geleitwort mitzugeben ungefähr des
folgenden Inhalts:
↓»↓Es ist mir bekannt, dass dieses Stück
sehr lang und dass der Medardus ein ausnehmend inkonsequentes Subjekt ist.
↓« (↓Darum passieren ihm ja so sonderbare Dinge.
↓)↓ Aber am
Ende sind in dem Drama selbst so klare Ansichten über das Wesen des
Medardus ausgesprochen, hauptsächlich durch
Eschenbacher, durch
Etzelt und auch durch die
Frau Klähr, dass der Unverstand,
der sich durch die dramatische Historie selbst nicht belehren liesse, auch mit einem
solchen Vorwort nichts anzufangen wüsste. Auch glaube ich mich mit Dir eines Sinnes,
wenn ich behaupte, dass kein dramatischer Autor verpflichtet ist in den Mittelpunkt
seiner Stücke gerade einen sogenannt
↓en↓ tragischen Helden
hineinzustellen. Der
Hamlet ist
es im dogmatischen Sinne so wenig als der
Oswald, der
Prinz von Homburg so wenig als der
Tasso. Dies sind natürlich Beispiele nicht etwa Vergleiche. Kein
Zweifel übrigens, dass sich der Autor nach dieser Richtung umso mehr erlauben darf
je
verstorbener er ist. – Was Deine weitere Befürchtung anbe
langt, dass das
Publikum ein anderes Stück zu sehen bekommen wird als ich geschrieben habe, so ist
sie zum Teil vielleicht gerechtfertigt, aber nicht durchaus als Befürchtung. Ich habe
für die Zwecke der Bühne nicht nur sehr viel gestrichen, sondern auch gewisse
Umstellungen vorgenommen; Kompromisse ohne die auch manche andere
↓,↓ und grössere
↓,↓ Werke sich auf der Bühne nicht
hätten halten, ja nicht einmal auf sie hätten gelangen können. Leider muss ich auch
zugestehen, dass der
Medardus
selbst heute in dem
Burgtheater nicht zu besetzen ist
(
dies ganz unter uns). Der Einzige, der ihn heute überhaupt spielen könnte, ist
Moissi.
Reinhardt, als ich ihm das Stück vorlas, war auch ganz entschlossen ihm
diese Rolle zuzuteilen, erst später erfuhr ich, dass er das Stück nur dann geben
wollte, wenn ich ihm noch ein zweites überliesse, worauf ich aus prinzipiellen
Gründen nicht einging. Bei
Reinhardt wären
zweifellos auch die Massenszenen besser herausgekommen als es bei uns der Fall sein
wird. Aber die übrige Besetzung hier ist zum grösseren und wichtigeren Teile von der
Art, dass keine deutsche Bühne sie heute besser bieten könnte. Die
Bleibtreu als Frau Klähr,
Balaithy als Eschenbacher,
Tressler als Etzelt,
Korff als Wachshuber,
Hartmann als
Herzog,
Heine als Assalagny, von der
Medelsky, der
Wolgemut, von
Reimers und
Strassny und
Heller und Andern ganz zu geschweigen, das sind Leistungen im Einzelnen,
meist auch im Zusammenspiel, dass Du, lieber Hermann, wenn Du die Vorstellung zu
sehen bekämest gewiss nicht von herumdilettierenden Herrschaften sprächest, sondern
das denen überliessest (es wird ja nicht an ihnen fehlen) denen vorgefasste Meinungen
den teuersten und ach so bequemen Besitz bedeuten.
Nun will ich Dir noch von Herzen glückliche Vortragsreise wünschen und
die diesmal
hoffentlich↓die Hoffnung↓ nicht vergeblich
e Hoffnung aussprechen Dich
und Deine verehrte Frau
Gemahlin recht bald nach Deiner Rückkehr bei uns zu sehen. Ich selbst fahre
etwa am 7. Dezember nach
München (Vorlesung) und
auch nach
Partenkirchen zu meiner
Schwägerin. Um den 15. herum denke ich wieder daheim zu sein.