|Dr. Arthur Schnitzler 6. 3. 906
mein lieber Hugo,
aus ver
schiedenen Gründen
sind wir er
st
Samstag Abend frei u Ihnen zur
Verfügung und fragen Sie, ob Sie lieber bei uns nachtmahlen
wollen oder ob wir einander in
Hietzing
treffen wollen? Es wäre
sehr nett von Ihnen
beiden, wenn Sie die Rei
se in die
Spöttelgasse nicht
scheuten. –
|Harden hat mich nur mäßig irritirt. Er
stens
weil ich auf alles mögliche gefa
sst war, da man mir ja gleich (Theater
berlin i
st ja ein Trat
schne
st) von
seinem albern
taktlo
sen Benehmen im Theater bei der
Première erzählt hatte. Ferner i
st mir
seine Er
scheinung als die eines Politikers, eines
großen u amu
santen Politikers in allen Dingen die
ser Welt al
so auch in der Kun
st (und
sogar in der Politik)
seit lange
so fe
st
stehend,
|da
ss
mir alle
seine Emanationen auch nur in die
sem Sinne wirklich intere
ssant
sind. Da
ss
er trotzdem manchmal höch
st vorzügliches
mit↓und↓ über sogar treffendes über Men
schen, Kün
stler,
Bücher, Stücke
sagt – insbe
sondere wenn er vom »politi
schen« ab
sehen kann, und noch
öfter, wenn
sein Ge
schmack und
seine Partei
stellung in einer ihm
selb
st unbewußten
Wei
se ineinanderfließen – würd ich nicht leugnen, auch we
nn er noch lächerlicher über mich
geschrie|ben hätte. Im übrigen hab ich nicht
einmal die Empfindung, da
ss er mich hat treffen wollen, und käme der Fall vor
Gericht,
so würd ich ihn vielleicht wegen momentaner Si
nnesverwirrung frei
sprechen. Ja we
nn ich alle die
vielfältigen Elemente meines heutigen Verhältni
sses zu ihm unter
suche,
so möcht ich
fa
st glauben, d
ss auch irgend ein Hauch von Mitleid dabei i
st.
Nun was das
Stück selb
st anbelangt
so i
st ja beim be
sten Willen nicht
zu über
sehen, da
ss im
3. Akt
ein
|tiefer Fehler
steckt – der damit nicht geringer
erklärt wird, da
ss man ihn
↓im↓ architektoni
schen am
deutlich
sten entdeckt. Auf einem Spaziergang heute, an die
sem
schönen Frühlingstag,
durch den
Dornbacherpark, hab ich mir den »
Ruf« neu entworfen (
schreiben werd ich ihn wohl
nie) in fünf Akten und glaube an den Wurzeln gewe
sen zu
sein. So klug wie meine
klüg
sten Kritiker bin ich lange noch: ich müßte
|nur
noch um einiges mehr Dichter
sein und die Welt
könnte↓dürfte↓ Dramen von mir erwarten, die weder durch die Talentlo
sigkeit des Fräulein
Schiff noch durch die Bo
sheit des Herrn
Rittner umzubringen wären.
Im
Oedipus haben die
Sandrock und
Moissi am
stärk
sten auf mich gewirkt (
Dinstag den 24. Feber), die
Sorma bei aller edeln Süßigkeit
schien mir nicht ohne Manier. Was mit dem Chor
↓(von Reinhardt)↓
intendirt war, hat mich mächtig ergriffen, in der Ausführung
störte mich zuweilen
bildlich
|ge
sprochen die überdeutliche Arbeit der
Ma
schinerie. Was mich aus dem dritten Akt des
Werkes, das ich bewundere, etwas kühl angeweht hat, wei
ss
ich mir
selb
st noch nicht recht zu deuten – vielleicht war es nichts andres, als da
ss
ich nach Hau
se ge
schickt wurde, während ich, in höherm Sinn, nur in einen Zwi
schenakt
entla
ssen werden durfte. Um was ich Sie diesmal be
sonders beneide, i
st, da
ss Sie mit
einem
Regisseur arbeiten
konnten, der an Ihr Werk glaubte. Die
Mischung↓Atmosphäre↓ von Pflichttreue und kün
stleri
scher Feind
seligkeit, in der
mich mein
Werk zum Bühnenleben erwuchs, hatte
|etwas niederdrückendes.
Herzlichst
Ihr
A.