Ich war sehr verstimmt Dich heute verfehlt zu haben – ich bin sonst Vormittag fast
immer zu Haus, nur heute musste ich ins
Jubiläumstheater, da dieses, seines Patriotismus wegen, ausersehen ist, den
»
Klub der Erlöser« zu
bringen, den ich Dir nächstens schicke, er ist eine Parallele zu »
Unter sich«. Nun habe ich sogleich den »
Ruf des Lebens« gelesen. Ich danke Dir herzlichst für die
Absicht, ihn mir zu widmen, und Du machst mir eine sehr grosse Freude, wenn Du es
wirklich tust. Seine »Gesinnung« (ich find im Augenblick nur dieses dumme Wort) hat
mich sehr ergriffen und in dieser ungeheueren
Angst, die er ausdrückt und mitteilt, der Angst das Leben zu versäumen, das
einzige, das Höchste, geht er mir sehr nahe, ja ich glaube, dass Du noch
nie so tief in das Gemüt unserer Generation und ihre letzte Sehnsucht eingedrungen
bist. (An meinen »
armen Narren«, von
dem ich nur noch kein Exemplar für Dich frei habe, und einem kleinen
Kainzbüchel, das bei
Freund kommt,
wirst Du sehen, dass mir dies, gerade dies und
eigentlich nur dies allein unser eigentliches Problem scheint, von dem mir alle
anderen unserer Forderungen oder Fragen nur Abwandlungen oder Variationen
scheinen). Was nun die Ausführung betrifft, einstweilen unter
|dem ersten Eindruck nur folgendes: prachtvoll finde ich den Vater, von einer
Plastik, die vielleicht noch nie eine Figur von Dir gehabt hat, ebenso stehen mir
Marie und die gleich von mir geliebte Katharina wunderbar lebendig da, auch Dr.
Schindler und Rainer sehe und höre ich, wenn schon ferner und stiller als jene.
Dagegen (die Schuld mag an mir liegen, ich will Dir auch nur meinen ersten Eindruck
sagen, wie sich ja schliesslich auch das Publikum immer nur an den unmittelbaren
Eindruck hält) dagegen sehe ich den
Obersten, seine Frau und
Max gar nicht. Den Obersten
kann ich mir
denken, und es reizt mich sehr, mir ihn zu denken, er geht mir nach, ich ihm, und
ich
dichte mir sein ganzes Leben hinzu, bald dieses, bald jenes, aber dies bleibt meiner
Willkür frei, ich
muss nicht, denn es ist doch zu
wenig von seiner Vergangenheit da, und nichts, das mich zwingen würde, daraus sein
ganzes Wesen zu erkennen. Was noch mehr für seine Frau und vom
Lieutenant gilt. Die
Kritik wird deshalb den zweiten Akt zu stark an Handlung und melodramatisch oder
boulevarddramatisch oder dergleichen finden. Er ist es nicht, gewiss nicht, nur
scheint mir der Ausgleich zwischen der auf die Handlung verteilten Kraft und der in
die Figuren gelegten nicht völlig getroffen. Woher auch wohl das Gefühl stammt, das
ich sehr lebhaft hatte, der Akt sei viel zu kurz, als ob alles nur angedeutet wäre,
besonders an der sehr ruhig breiten Ausführung im ersten und dann wieder im dritten
Akt gemessen. Doch über all das mündlich, sehr bald, wir müssen uns endlich einmal
gründlich sehen. Grüss Deine liebe
Frau bestens und sei herzlichst gegrüsst von Deinem
Brauchst Du das Manuscript zurück? »
Zwischenspiel« les ich morgen.