Arthur Schnitzler an Hugo von Hofmannsthal, 7. 10. 1902

|Wien, 7. X. 902
mein lieber Hugo, Ihren Brief hab ich mit meiner Antwort zugleich an Bahr geschickt; habe mich gleichfalls gegen monatliche Verpflichtung verwehrt, mich aber zu gelegentlichen die Monatsrate übersteigenden Beiträgen bereit erklärt. Ich fand den Brief der Frau D. von einer bemerkenswerten Taktlosigkeit.
Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen, Sie vor Ihrer Abreise zu sehn; die Um|zugspräparationen hatten begonnen; nun sind die Meinen natürlich schon geraume Zeit herin; nur fehlen leider vorläufig die meisten Möbel, wie das im Wiener Lieferantenwesen nun einmal nicht anders sein kann. Aber es genirt nicht besonders, u ich bin recht froh, dass wir so nah von einander sind.
Mit dem Stück bin ich etliche Male stecken geblieben; heut ist die Arbeit seit längerer Zeit das erste Mal wieder besser gegangen, und ich werde wohl zu |Ende kommen – wenn auch nicht in diesem Moment. Ich schreibe das Stück nun bis zum Schluss und halte es selbst nur für eine sehr ausführliche Skizze. Wenn dann einige Auftritte fertiger sind als ich geahnt, soll es mich angenehm überraschen. Keinesfalls setz ich mir einen Termin. – Hans hab ich anläßlich des Leichenbegängnisses von Richard’s Vater gesehen, und habe viel Sympathie für ihn. –
Anfang nächster Woche denke ich nach Berlin zu fahren; für acht Tage etwa. |Brahm scheint plötzlich von Stücken so überschwemmt zu werden, dass die liebe Beatrice wieder unter den Tisch fallen wird. Aber ich denke, unterm Tisch wird der Loewenfeld sitzen. –
– Die Leb. St. kommen im März mit der Sandrock am Volksth. zur Aufführung. –
Ich bin schon sehr gespannt von Ihnen zu hören. Ich verspreche mir für Sie von dem römischen Aufenthalt unendlich viel. Lassen Sie sich nur nicht verstimmen, wenn |Arbeitslust u kraft nicht gleich wieder da sind. Denken Sie nur was »Production« für ein unfaßbares, unmeßbares und unbegreifliches Ding ist – wie wir zuweilen schaffen, ohne es zu bemerken u ein andres Mal (mir geht es öfters so!) in aller Geschäftigkeit so gut wie nichts geleistet haben. – Dass das »Aufgeschriebene« das einzige ist, was von den Fernerstehenden controlirt werden kannsollte uns nie verwirren. Für die |andern werd ich gewiss nie ein Dichter sein wie ich es vor 3 Jahren einmal auf einem einsamen Spaziergang von Wiesbaden nach Biberich und heuer im Sommer zehn oder gar zwanzig Minuten auf dem Lichtenstein war – Und das »übrig bleiben« kann doch wohl kein Criterium sein. In hundert – oder zehntausend oder siebzigtausend Jahren ist gar nichts |übrig.
Aber das führt ins allgemeine, und da weht einem die Luft zu kalt um die Ohren.
Schreiben Sie mir bald. Ich grüße Sie herzlichIhr
 A.
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