Arthur Schnitzler an Richard Beer-Hofmann, 21. 6. 1899

|Wien, 21. 6. 99.
Lieber Richard, ich habe gestern Abend mit Mayer gesprochen. Wir schlagen folgendes vor: dass wir etwa Mitte Juli zu Ihnen kommen und Sie von dort mitnehmen (etwa 5 Tage später). Wohin? Mir wäre ebenso wie Mayer eine Tour im südtirolischen am sympathischesten (eine Zusammenstellung hab ich); ich will nämlich dann, vielleicht mit Mayer, an irgend einen hohen Punkt (San Martino) 2–3 Wochen bleiben, auch länger und dort zu arbeiten versuchen. Denn ich fühle, dass mein Organismus nach Höhenluft verlangt. Ihrer wahrscheinlich auch. Man hat ja offenbar nie recht, einem Menschen zu sagen, er habe keinen Grund verstimmt zu sein; – aber dass es mir heuer sehr nahe liegt, Ihnen irgendwas in der Art zu sagen, werden Sie verzeihlich finden. Ich hoffe, Sie erholen sich – von was? – Mir kommt vor, ich wär an Ihrer Stelle so glücklich, dass mich schauern müsste, aber offenbar irr ich mich. Aber im Ernst, was haben Sie? – Mir scheint nun einmal, dass Sie selbst einfach durch Willen einiges dazu thun könnten, um wohl zu sein. Sie lassen sich gehn. Freilich, auch dagegen scheinen Sie keine Gewalt zu haben.
Was mich anbelangt, so fühle ich jenes Unglück mit |jedem Tag tiefer; der Sommer hat so seine eigenen Qualen. – Zu arbeiten hab ich versucht. – Mit Hugo hab ich gestern eine schöne Radpartie gemacht: Edlacher HofSingerinGutensteinPottensteinVöslau.
Morgen Abend fahr ich nach Slavonien und wünsche in den letzten Junitagen wieder hier zu sein. Dann bleib ich etwa 10–12 Tage hier.
Die tirolische Tour ist ungefähr; oder wäre: NiederdorfSchluderbachTre CrociCortinaCaprileFedajaKarerseeRollepassMartinoTrient.
Einfacher: BozenKarersee u. s. w.
Leben Sie wohl, grüssen Sie Weib und Kind.
Herzlich der Ihre
Arthur.
(nach Seeboden)
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