Arthur Schnitzler an Georg Brandes, 19. 5. 1899

|Lieber und verehrter Herr Brandes,

innigen Dank für Ihre herzlichen Worte. Es ist etwas erquickendes in der Art, wie Sie einem Worte sagen, die von einem andern ausgesprochen, eben nichts als Worte wären. Ich bin jung, sagen Sie? Nun, wenn es selbsso wäre – unter gewissen Umständen sind Jugend, Frühling, Sonne so traurige Dinge, dass man in ihrem Bewußtsein zusammenschauert statt sich zu |freun. Diese Abende, die ich jetzt manchmal auf dem Land draußen verbringe, die Orte wo ich hinkomme, alles das dampft von Erinnerungen; – ahnt man denn, wie tief manche Gräber sind! –
Verzeihen Sie dass ich schon wieder davon rede; während Sie selbst ohnedies nicht in der glücklichsten Stimmung sind. Ich wußte absolut nicht, dss Sie noch immer bettläge|rig waren; wie gern möcht ich endlich hören, dss Sie ganz genesen sind. Dabei ist doch sehr erfreulich, dss die Sache völlig unbedenklich ist und dass Sie dabei arbeiten und sich über den Zusammenfluss von Büchern und Briefen auf Ihrer Bettdecke freuen. Der Erfolg Ihrer Gesammtausgabe ist ja selbstverständlich. Ludwig Fulda, auf dessen Schreibtisch ich vor ein paar Wochen |Ihre Gedichte liegen sah, hab ich ein wenig um sein dänisch können beneidet. Die Zukunftsnummer vom 7. April hab ich noch nicht gesehen, lasssie mir durch meine Buchhandlung kommen.
Ich will in diesem Frühjahr noch einige kleine Touren (mit dem Rade zumeist) in der Umgegend von Wien machen; immer neues entdeckt man in diesem wunderschönen aber vertrottelten Niederoesterreich.
|Leben Sie wohl, mein verehrter Herr Brandes und seien vielmals gegrüßt.
Ihr
ArthurSchnitzler
19. 5. 99.
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