Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 2. 10. [1898]

Vue prise de l’hôtel
Venedig 2ten X.

mein lieber Arthur

so hör ich auf einmal von meinen Eltern, dass die Aufführung vom »Vermächtnis« unmittelbar bevorsteht und denke Sie auf den Proben, in dem halbfinsteren Theater, u der Luft die Sie so gern haben und die ich auch sehr gern zu haben anfange. Dann kommen mir Wiener Sommerabende ins Gedächtnis, das Bad im Neufchatelersee, der letzte |Tag am Dampfschiff und ich denke mir, wie schön und gut es ist, was für ein großes Glück, dass ich Menschen wie Sie so früh hab finden und behalten dürfen.
Ich war bei den Thürmen, von denen Sie mir einen geschenkt haben, dann in Florenz, worüber mehr als viel zu erzählen ist und sitze nun seit 14 Tagen hier so fieberhaft fleißig wie ichs manchmal und leider sselten sein kann. Etwa den 10ten bin ich in Wien, höre von Berlin, höre endlich den »Kakadu«, lese wohl eine venezianische Comödie vor, erzähle von d’Annunzio, und sage wie |alle Herbste aber noch mit viel tieferer Überzeugung als früher, dass man sich öfter sehen muss.
Herzlich Ihr
Hugo.
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