Ich fühle mich Ihnen und Herrn Dr.
Beer-Hofmann gegenüber wirklich wie ein Schweinehund. Ich nehme
in
Wien Ihre Zeit in Anspruch; Sie sehen
täglich, wie es mir geht, Sie beide sind die letzten, die mich in
Wien besuchen; ich reise fort und lasse nicht von
mir hören, danke Ihnen nicht einmal. Nur hoffe ich dass Sie einen stummen Gruss
von mir bekommen haben, da ich meine
Tochter bat, Ihnen einige alten Drucksachen zu senden.
Der Anfang meiner Reise in
Italien war durch die Krankheit meiner
Mutter
sehr
|verdüstert. Indes, sie lebt. Sie liegt zwar noch zu Bette aber es geht ihr
besser; sie kann täglich eine Stunde aus dem Bette sein.
Ich las irgendwo, in
Florenz glaub’ ich,
etwas über die Aufführung Ihres
Stückes in
einem deutschen Blatt, konnte aber nicht daraus klug werden. Sind Sie mit dem
Resultat zufrieden gewesen?
Ich ging von
Florenz nach
Rom, wo die Studenten der
philosophischen Fakultät artig genug waren mich mit einer sehr
netten Adresse zu begrüssen. Es war dort bald kalt, bald warm, doch trocken,
aber in
Neapel wurde ich von argem
Regenwetter verfolgt. Dort sah ich curios genug die ganze Aristokratie, da man
mich
|viel in diesen Kreisen
einlud, obwohl ich nicht einmal Empfehlungsschreiben hatte.
Hier in diesem gesegneten und verhungernden Land hatte ich wieder fast immer
Regen. Ich bin schon mehr als 14 Tage hier. Aber wenn es bisweilen schön ist,
dann ist es hier am Fusse des Etna in der
starken herrlichen Wärme am Ufer des Meeres wahrlich sehr schön. Hier hat jeder
Fleck ihre Geschichte, hier haben Araber und Normannen usw. Spuren hinterlassen,
hier hat
Heine’s
Platen gelebt, und noch giebt es hier in
Taormina nicht wenige deutsche Herren mit seinen
Leidenschaften.
Ich lebe hier gesellig am Tage, einsam |von 5 Uhr ab, lese und
schreibe viel, oder so viel ich vermag, denn alt und dumm bin ich.
Ich danke Herrn
Beer Hofmann viel für das
Buch von
d’Annunzio, das ich zwischen
Wien und
Florenz las; es
war mir eigentlich zuwider, und ich mag auch das Uebrige von
d’Annunzio nur wenig. Uebrigens war die
Uebersetzung sehr stark gekürzt, als ich sie mit dem Original verglich. Grüssen
Sie mir sehr herzlich den weisen
Mann,
Wollzeile 15, I
Ich bitte Sie mich auch Ihrer Frau
Mutter
bestens zu empfehlen.
Ihr ergebener
Georg Brandes