Lieber Arthur! Dies schreib ich Ihnen, im Boote liegend, während man
mich zu einer Insel rudert, auf der ein Jupitertempel stand, aus dem der heilige
Franciscus von |Assisi – mein
Franciscus – ein
Kloster gemacht hat. Zugleich lese ich in einem
Buch wunderschöne Sachen – wie das
Buch aber heisst schreibe ich hier nicht, denn der Name
könnte Ihnen entgleiten, und der
B. . . mittelst 3–4 Ausschrotartikeln es einem ruinieren und
verekeln, aber es ist sehr schön. Im dritten Jahrhundert vor Christi Geburt schreibt
ein Herr
Posidippus – ohne »
Märchen« und »
Elixire«-Schmerzen – heiter konstatirend:
Sollten Ihnen
Paul Hörne die »
kleine Comödie«, verheirathete Frauen mit dem
Schmerz anständig zu sein, das »kleine Mädel« der »
Liebelei« (um Gotteswillen, wie ist die
Sandrock im ersten Akt?) und mir das Dienstmädchen im »
Kind« (mit Unrecht, denn die schildere ich selbst ja nicht als
hervorragend begehrenswert) vorwerfen, dann wer
|den
wir mit Ihnen sagen »lasst uns lächeln« und folgende schöne Verse zitieren:
Ich war auf der Insel und wir fahren im Abendwind (man hat sechs geläutet) zurück.
Die Insel ist herrlich. Seitdem ich
Italien und
solche Inseln wie die
Borromäischen und die
kenne, bewundere ich
Boeklin weniger. Wie dumm
waren nur die Anderen, dass sie mit solchen Augen solche Schönheiten nicht sahen.
Ich
will recht oft hieher, und in den Süden, man wird ein besserer Mensch hier, alles
liegt so weit weg, als wenn wir es von grosser Höhe klein, und uns selbst fremd unter
uns sehen würden.
|Wie widerlich ist das Gesindel, das
mit ungezieferhafter Unruhe uns zu Hause, in
Wien
wieder umwimmeln wird. Aber dies Jahr sollen die Recht behalten, die mich »arrogant«
nennen. Ich will ihnen eine Arroganz »hinlegen« (so sagen doch die Herren, die Ihnen
die Ehre erweisen Ihr
Stück zu
spielen), dass sie starr sein werden. Und meine Arroganz wird nur die sein allein
zu
sein »höflich und allein«. Auch ein Wahlspruch für den Verkehr mit Jenen. Ich denke
mit vieler Freude auch an unser Beisammensein im Winter, und wenn wir dabei immer
den
Daumen in der hohlen Hand verbergen, »Tütü« machen, und »unberufen« sagen, und uns
noch ängstigen tut uns vielleicht auch der Neid der Götter nichts. Heute macht die
Tatsache, dass wir einander haben nur unser Leben schöner und wärmer, aber ich
glaube, wenn wir einmal alt sein werden und sehr Vieles, an das wir jetzt glauben,
weit weg von uns sein wird, werden wir einander noch viel mehr bedeuten. Aber das
möcht ich gar nicht, dass es so kommt,
|dass wir, wenn
wir alt sind, nichts mehr haben als uns; wir sollen Greise sein mit wunderschönen
hellen jungen Augen und seidenweichem weissen Haar, und
sehr berühmt. So berühmt, dass sich Frauen rühmen, wenn ihre Mütter einmal
unsere Geliebten waren, und junge Mädchen sich mühen sollen, um reizend zu erscheinen
– und ich meine »reizend« wörtlich. Und weil wir Blumen lieb haben, und bis dahin
auch den Wein lieben gelernt haben, kommen aus dem Süden täglich Körbe mit Obst und
Wein und Blumen. Denn wer hinunterreist in den Süden wird an uns denken müssen, die
wir, in einer Zeit, wo hässlich geschäftige Menschen lebten, die Reichtum und
Anerkennung wollten und widerliche Literatur machten, die einzigen waren, die
wussten, dass es Schönheit und Sonne und Liebe gibt, die nur genossen, und erkannt
sein will, – nicht mehr. – Jetzt wird es aber ganz dunkel; gegen
Riva zu liegt der See im Nebel, gegen
Salò ist der Himmel noch rötlich, und gegen
Cap Manerba steht im grünlichen Abendhimmel eine zarte silberne
|Sichel. Der Ruderer setzt stark ein, weil die
Nacht kommt und mit jedem Ruderschlag sprüht mirs feucht ins Gesicht. Unendlich schön
ists, und es wäre mir sehr leid, wenn ich jetzt ertrinken müsste. – Adieu lieber
Arthur und grüssen Sie mir auch die, die Sie lieb haben, und die ich nicht kenne.
Und
sie hat Sie wohl jetzt noch mehr lieb als sonst, wo Sie vielleicht am Thor des
Berühmtseins stehen, und sie wird sehr viel Herzklopfen haben, wenn das Orchester
die
Schlusstakte spielen wird. Nicht wahr! – Herzlichst Ihr
Es ist finster.