Friedrich M. Fels an Arthur Schnitzler, [12. 11. 1894]

|Lieber Doktor Schnitzler!

Da ich gerade ein paar Minuten Zeit habe, will ich Ihnen eine Unterredung berichten, die ich heute abend mit meinem Philister hatte; vielleicht haben Sie ein paar Sekunden Zeit, sie zu lesen.
Auf der Strasse las mich der Herr auf und begann, über schlechten Geschäftsgang zu reden, um mich zu fragen, wie eigentlich »mein Geschäft« gehe. Darauf erbot er sich, da er in der hiesigen Journalistik Beziehungen habe, meinetwegen anzufragen; jedenfalls werde er möglichst bald mit Jak. Herzog reden, dem Hrsg. der Montagsrevue, mit dem er sehr gut stehe.
Dann kamen wir auf die Korffsche Denunziation, wobei er mir mitteilte, in letzter Zeit sei niemand von der Polizei meinetwegen bei ihnen gewesen, doch drei Tage nach meinem Einzug, also vor fünf Wochen, sei ein Herr erschienen, habe sich seiner Schwägerin, die allein zu Hause gewesen, als Polizeikommissär (??!) vorgestellt und erklärt, er müsse sie vor mir warnen, da ich ein stadtbekannter Schwindler sei. Ihn (dem Philister) habe dieses Anzeige nicht bekümmert; weil er ihr nicht geglaubt habe.
Nun – so viel dürfte sicher sein: ein Kommissär war der Herr nicht, denn ein solcher geht nicht zu den Leuten, sondern lässt sie zu sich kommen; ein Detektiv auch nicht, denn der |hätte seinen Adler vorgezeigt und sich ausserdem nicht für einen Kommissär angegeben. Ausserdem, wenn die Polizei bereits seit 5 Wochen auf mich aufmerksam gemacht wäre, wäre es unerfindlich, weshalb ich jetzt erst zitiert worden bin. Es kann also nur eine Privatperson gewesen sein, die sich den Polizeititel angemasst hat. Wer sie aber war oder von wem sie geschickt worden ist, das ist mir kein Rätsel. Früh übt sich, wer ein Meister werden will.
Besten Gruss
Fels
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