Felix Salten an Olga Schnitzler, 2. 9. 1912

|Berghof, 2. IX. 12.

Verehrte, liebe Frau Olga,

vielen Dank für den lieben Brief und für Arthurs Karten. Wir haben eine ziemlich unruhige Zeit noch nicht ganz hinter uns. Wollfs aus Dresden sind drei Wochen lang bei uns gewesen und wir haben uns sehr mit Ihnen gefreut. Wir konnten uns deshalb zu keinem ganzen Behagen kommen, weil es fast unaufhörlich geregnet hat, und weil Otti mit ihrer Gesundheit nicht ganz in Ordnung war. Nun ist sie seit Mittwoch in Wien, im Sanatorium »Hera« und hat am Donnerstag eine kleine Operation überstanden. Es ist alles sehr gut gegangen: sie befindet sich schon viel besser und es ist möglich, dass Sie übermorgen oder Donnerstag schon wieder hier sein wird. Bei alledem – angenehm ist sowas ja nie, weder für Otti, die allein, nur vom Stubenmädchen begleitet, in Wien sein muß, noch für mich, der hier nur warten und sonst nichts nützliches für sie tun kann. Vielleicht haben wir hier noch ein paar Wochen Zeit, dass Otti |sich erholen kann. Ohnehin graut uns ein bischen vor dem Umzug in Wien, vor allen Geschichten, die wir mit dem Haus, den Möbeln, den Handwerkern und zunächst mit dem Hausherrn haben werden, der mich wieder und immer wieder zu schröpfen sucht.
Ich freu mich sehr, dass es Ihrer Schwester gut geht. Bitte, grüßen Sie sie vielmals von uns! Haben Sie nun in München Ihre Konzertreise zusammengestellt? Ich bin sehr neugierig darauf, und wüßte gern, wann und wohin Sie gehen. Jedenfalls werde ich Sie aber doch gewiss vorher noch singen hören, was ich mir lebhaft wünsche, und möchte, wenn Sie’s gestatten, auch Ihr Progamm als Privatkonzert zu hören bekommen. Ich bin jetzt so ziemlich sicher, dass Sie an Ihrer Wirkung Freude haben werden, wenn Sie wieder öffentlich singen.
Was haben Sie dazu gesagt, dass Herrv. Kralik für das Burgtheater kandidirt wird? Symptomatisch!
Noch herzliche Grüße von uns allen, ebenso von Fischers.
Aufrichtig Ihr
Felix Salten
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