Felix Salten an Arthur Schnitzler, 18. 8. 1893

|Iselsberg, 18. VIII. 93.
Lieber Freund! heute sandte ich Ihnen ein Telegramm und habe Ihnen noch die Leidensgeschichte meines Rades zu erzählen. Mein Rad kam schon vom Eisenbahntransporte nicht ganz wol an, die Glocke war abgeschraubt, ein Pedal verbogen, zudem hat es der Schnellzug nicht mitgenommen, es wurde mir von Wien per Postzug nachgeschickt, und man hatte überdies vergessen, es in Dölsach auszuladen, es fuhr bis Inn., stand da einen Tag, und wer weiß, wer sich dort mit ihm spielte. Allein die Tour von Toblach nach Cortina ging recht gut vor sich, auch zurück. Da ich noch [Vor]mittag wieder aus Cortina in Toblach ankam, [und] bis ½ 8 auf den Zug nach Dölsach hätte [war]ten müssen, und mir überdies die [Strass]e von Toblach hinunter nach Lienz[als] vortrefflich geschildert wurde, entschloß [ich] mich weiterzufahren. Nun war es hier |wie überall, mit den Schilderungen der Leute schlecht bestellt. Ich fand wol stetes, oft scharfes Bergab, aber eine verwahrloste Straße, voll Schotter, theilweise mit Gras bewachsen, und überall faßt fußhoher Staub. Doch ging’s die ganze Strecke noch leidlich, nur eine auffallend leichte Lenkbarkeit des Gouvernals, die ich mir nicht erklären konnte, bis zwischen Mittewald & Lienz mein Rad einfach zu taumeln begann, und die Kugellagerung im Gouvernal bei jeder Schwenkung knackte. Bei näherer Besichtigung, ergab sich das der Conus ganz gelockert war, offenbar war einer der Stifte, die ihn halten gebrochen. In Lienz fand ich am selben Tag keine Hilfe, es war (Dienstag) Feiertag und alles geschloßen. Mittwoch ging ich hinein, und erhielt die Auskunft, man müße erst untersuc[hen, ] und würde mir die Post sagen laßen. Gestern Abend vom Glockner zurückgekehrt, fand ich die Nachricht, dass einige Kugeln, und [(]wie ich vermuthet hatte) die Stifte gebrochen seien, und dass mein Rad nicht, wie [ich] |verlangt hatte bis Sonntag, sondern erst Ende der nächsten Woche fertig werden könne. Was jetzt zu thun ist, weiss ich nicht. Abgesehen davon, dass ich nun die Aussicht habe hier sitzen zu bleiben, und mich unbeschreiblich zu langweilen, ist mir die Sache mit Rücksicht auf Sie sehr unangenehm. Wie ich mich auf diese Tour gefreut habe, kann ich Ihnen nicht sagen, ich habe am ganzen Weg nach Ampezzo daran gedacht, wie schön es sein wird, hier mit Ihnen nochmals hereinzufahren. Die Parthie nach Heiligenblut und von da auf die Franz Josefshöhe zur Pasterze war zwar sehr schön, aber sie hat mich furchtbar übermüdet, so dass ich heute nicht aus dem Hause gehe, Ich habe sie auch nur meinem Bruder zuliebe gemacht, weil ich von Ampezzo noch müde war, u. dann dachte ich mir, vielleicht wird das Rad bis Sonntag od. Montag doch fertig, dann kommen Sie, und ich kann nicht mehr nach Heiligenbluth. Ich bin so von der Sonne verbrannt, dass mir das ganze Gesicht weh thut, und sich mir die Haut vom Halse schält. –
|Schreiben Sie mir, bitte, wozu Sie sich entschließen. Wenn Sie hier herum eine Tour machen, dann könnten wir uns Sonntag doch vielleicht in Toblach treffen, um die Tour nach Cortina wenigstens gemeinschaftlich zu machen.
Ampezzo w[o]llen Sie sich unter keiner Bedingung entgehen laßen. Man findet nirgends so eine schöne Straße, und so eine Gegend.
Jedenfalls wird mir bis auf weiteres nichts übrig bleiben, als Verschen zu schreiben, um mir »den Tach um die Ohren zu schlagen.«
Noch Eins. Wollen Sie nicht zu meinem Papa gehen, und ihm sagen, er soll mir mehr Geld geben? Er stellt sich vor, man bekommt hier Alles geschenkt. Sie könnten ihm ordentlich zureden[,] er hört auf Sie, und es würde mir jetzt nützen.
Jedenfalls bitte ich Sie um baldige Nachricht. Mir träumte heute Frl. Sofi käme zu mir, und sagte mir, sie habe erfahren, Sie betrügen sie mit Frl. G. ich solle ihr helfen. Frl. G. saß gerade bei mir und ich wollte sie auf ihre Bitten elektrisie[ren,] denn sie behauptete, dann würden Sie sie heiraten. Mein Bruder schrie zur Thür herein, Minnie B. wolle mich erschlagen, wenn ich so was thäte, und ich wusste mir nicht zu helfen und verwünschte Sie mit Ihren 3 Frauenzimmern.
Heute soll Defregger her kommen.
Seien Sie herzlichst gegrüßt von
Ihrem
Salten
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