Lieber Freund! heute sandte ich Ihnen ein Telegramm und habe Ihnen
noch die Leidensgeschichte meines Rades zu erzählen
. Mein Rad kam
schon vom Eisenbahntransporte nicht ganz wol an, die Glocke war abgeschraubt, ein
Pedal verbogen, zudem hat es der Schnellzug nicht mitgenommen, es wurde mir von
Wien per Postzug nachgeschickt, und man hatte
überdies vergessen
, es in
Dölsach auszuladen, es fuhr bis
Inn.
, stand da einen Tag, und wer weiß, wer sich dort mit
ihm spielte. Allein die Tour von
Toblach nach
Cortina ging recht gut vor sich, auch zurück. Da
ich noch
[Vor]mittag wieder aus
Cortina in
Toblach
ankam
, [und] bis ½ 8 auf den Zug nach
Dölsach hätte
[war]ten müssen, und mir
überdies die
[Strass]e von
Toblach hinunter nach
Lienz[als] vortrefflich geschildert wurde, entschloß
[ich] mich weiterzufahren. Nun war es hier
|wie überall, mit den
Schilderungen der Leute schlecht bestellt. Ich fand wol stetes, oft scharfes Bergab,
aber eine verwahrloste Straße, voll Schotter, theilweise mit Gras bewachsen, und
überall faßt fußhoher Staub. Doch ging’s die ganze Strecke noch leidlich, nur eine
auffallend leichte Lenkbarkeit des Gouvernals, die ich mir nicht erklären konnte,
bis
zwischen
Mittewald &
Lienz mein Rad einfach zu taumeln begann, und die
Kugellagerung im Gouvernal bei jeder Schwenkung knackte. Bei näherer Besichtigung,
ergab sich das der Conus ganz gelockert war, offenbar war einer der
Stifte
, die ihn halten gebrochen. In Lienz fand ich am selben
Tag keine Hilfe, es war (Dienstag)
Feiertag und alles geschloßen.
Mittwoch ging ich hinein, und erhielt die Auskunft, man müße erst
untersuc
[hen, ] und würde mir die Post sagen laßen. Gestern
Abend vom
Glockner zurückgekehrt, fand ich die
Nachricht, dass einige Kugeln, und
[(]wie ich vermuthet hatte) die
Stifte gebrochen seien, und dass mein Rad nicht, wie
[ich] |verlangt hatte bis Sonntag,
sondern erst Ende der nächsten Woche fertig werden könne. Was jetzt zu thun ist,
weiss ich nicht. Abgesehen davon, dass ich nun die Aussicht habe hier sitzen zu
bleiben, und mich unbeschreiblich zu langweilen, ist mir die Sache mit Rücksicht auf
Sie sehr unangenehm. Wie ich mich auf diese Tour gefreut habe, kann ich Ihnen nicht
sagen, ich habe am ganzen Weg nach
Ampezzo
daran gedacht, wie schön es sein wird, hier mit Ihnen nochmals hereinzufahren. Die
Parthie nach
Heiligenblut und von da auf die
Franz Josefshöhe zur
Pasterze war zwar sehr schön, aber sie hat mich furchtbar
übermüdet, so dass ich heute nicht aus dem Hause gehe, Ich habe sie auch nur meinem
Bruder
zuliebe gemacht, weil ich von
Ampezzo noch müde
war, u. dann dachte ich mir, vielleicht wird das Rad bis Sonntag od.
Montag doch fertig, dann kommen Sie, und ich kann nicht mehr nach
Heiligenbluth. Ich bin so von der Sonne
verbrannt, dass mir das ganze Gesicht weh thut, und sich mir die Haut vom Halse
schält. –
|Schreiben Sie mir, bitte,
wozu Sie sich entschließen
. Wenn Sie hier herum eine Tour machen,
dann könnten wir uns
Sonntag doch vielleicht in
Toblach treffen, um die Tour nach
Cortina wenigstens gemeinschaftlich zu machen.
Ampezzo w
[o]llen Sie sich
unter keiner Bedingung entgehen laßen. Man findet nirgends so eine schöne Straße,
und
so eine Gegend.
Jedenfalls wird mir bis auf weiteres nichts übrig bleiben, als Verschen zu schreiben,
um mir »den Tach um die Ohren zu schlagen.«
Noch Eins. Wollen Sie nicht zu meinem
Papa gehen, und ihm sagen, er soll mir mehr Geld geben? Er
stellt sich vor, man bekommt hier Alles geschenkt. Sie könnten ihm ordentlich
zureden
[,] er hört auf Sie, und es würde mir jetzt
n
ützen.
Jedenfalls bitte ich Sie um baldige Nachricht. Mir träumte heute Frl.
Sofi käme zu mir, und sagte mir, sie
habe erfahren, Sie betrügen sie mit Frl.
G.
ich solle ihr helfen. Frl.
G. saß gerade bei
mir und ich wollte sie auf ihre Bitten elektrisie
[ren,] denn sie
behauptete, dann würden Sie sie heiraten
. Mein
Bruder schrie zur Thür herein,
Minnie B. wolle mich erschlagen, wenn ich so
was thäte, und ich wusste mir nicht zu helfen und verwünschte Sie mit Ihren 3
Frauenzimmern.
Seien Sie herzlichst gegrüßt von
Ihrem
Salten