Lieber Arthur! Ebenso leer, ebenso verstimmt und
verärgert wie Sie, bin auch ich die ganze Zeit über, und es ist nur der Unterschied,
dass Sie in
Ischl sind und Bicycle fahren können, während ich in
Wien braten muss und im eckelhaften
Bureau arbeiten, das ich gerne bald ganz
verlaßen möchte. Es war auch eine verfehlte Sache, dass ich mich hier einsperren und
mir einreden ließ, ich hätte Beruf zum Beamten einer
Assecuranz, so
plötzlich. Und ich glaube noch immer, dass es gehen müsste, sich mit
schriftstellerischer
|Arbeit 50 fl
per Monat zu verdienen. Dass ich es bisher nicht gethan, beweist wenig genug, denn
ich war faul und habe Nichts gearbeitet. Von morgen
ab, bin ich ganz allein, und sind Sie mir bisher schon sehr abgegangen, so werden
Sie
es dann noch mehr.
Es wäre jedenfalls nicht schlecht und würde mich freuen, wenn diese
Aufführung zu
Stande käme; was
Wild für Gründe hat, ist ja ziemlich egal, für
Sie wäre es von Nutzen. Verständigen Sie dann auch
Paul Horn. Er ist in
Aussee und
Specht von Samstag an bei ihm.
Das
Buch vom kleinen
Rosner ist erschienen, und heisst »
Decadence«. Es ist ganz so, wie die
Novelle, die
|wir voriges Jahr auf der
Rohrerhütte von ihm gehört. Wenn
diese jungen Sachen prätentiös und aufdringlich im Druck vorliegen, dann sieht man
erst recht, wie dumm und zuwider diese ganze
Psychopathia-Sexualis-pose
ist, und wie recht die Leute haben, wenn sie auf diese Pubertäts-Geilheiten
schimpfen.
Dass Sie nicht arbeiten, hat, wie ich meine, nicht viel zu bedeuten, ich glaube fest
am↓n↓ eine starke Arbeitsperiode von Ihnen für die nächste Zeit – von mir glaube
ich noch immer dasselbe.
Was für ein Leben, sag ich Ihnen! Von 9 bis 5 Uhr oder 6. im
Bureau, dann hinaus in die staubige Luft,
im grellen Lärm des vergehenden Tages, und die wachen Sommernächte in der
Stadt, eckelhaft; – müd vom
Bureau, schlecht aufgelegt und
genzenlos nervös. In meinen literarischen Sachen von
|allen Seiten behindert,
ich kann keinen Weg machen, – nichts. Wer weiss, bekomme ich Urlaub, – wenn das so
fortgeht, halte ich’s einfach nicht aus.
Von
Loris habe ich heute einen lieben Brief erhalten. Er verlangt dringend, dass wir im
Winter Theater spielen. Sie wissen ja, im Sommer reden wir immer von den großen
Dingen, die wir machen wollen, und im Winter von den gemeinschaftlichten Soupers im
Freien. Die alte Sache. Nicht einmal nachtmahlen können wir wenn wir’s uns
vornehmen.
Was macht denn
Beer Hofmann? Arbeitet er etwas?
Leben Sie wol, ich danke Ihnen bestens für Ihren Brief. Auf baldiges Wiedersehen,
und
möchten wir bald gescheidter sein, viel gescheidter als Sie im »
Märchen« und ich im »
Begräbnis«.
Herzlichst Ihr
Salten