Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 4. 4. 1898

|Frankfurter Zeitung Genua 4. April 1898.
und
Handelsblatt.
Telegramm-Adresse:

Mein lieber Freund,

Tausend Dank für Deinen so lieben Brief! Es thut wohl, zum Abschied so gute Worte zu hören.
Ich gehe morgen früh aufs Schiff, fahre zuerst nach Hongkong (5. Mai), von dort den Perlfluß hinauf nach Canton, zurück nach Hongkong, zur See nach Shanghai, von da den Yang-tse-kiang hinauf, vielleicht bis Hankau, zurück nach Shanghai, von da nach Kiao-tschau, von da nach Tientsin, von da nach  Peking, zurück nach |Tientsin, von da zur See nach Chemulpo (Korea) und landeinwärts bis Söul, von da nach Japan.
Das ist der vorläufige Entwurf. Bitte, schreib’ mir nach Shanghai, Deutsches Post Amt (German Post Office) Poste Restante. Ich bin dort voraussichtlich Ende Mai, aber während der ganzen Dauer meiner Reise wird meine Adressso lauten, da ich mir von Shanghai immer die Briefe nachschicken lassen werde.
Was nach meiner Rückkehr sein wird, weiß ich nicht. Berlin wohl kaum. Es sind noch andere Projecte in der |Lust, aber das Alles wird sich wohl zerschlagen, und ich werde ins Joch nach Paris zurück müssen.
Wie schön ist Genua. Nie in meinem Leben habe ich solche Paläste gesehen. Kennst Du es? Die italienische Renaissance ist doch unübertroffen, selbst im Großartigen. Die fransische und deutsche Renaissance ist nur nachempfunden.
Und diese liebe goldene Sonne! Armer Freund Du in Deinem Winter! . . . 
Ich umarme Dich im Geiste, mein lieber Arthur, und grüße Dich noch einmal von ganzem |Herzen! Ich will von unterwegs viel an Dich denken. Bleib’ mir gut, liebster Freund!
Dein treuer
 Paul Goldmann.
Viele herzliche Grüße an Deine Freundin!
Erhole Dich im Sommer und geh’ auch ein wenig in die Welt hinaus aus Deinem Hypochondrie-Winkel, wo Du Dich mit schwarzen Gedanken eingesponnen hast! Du wirssehen, wie das Alles in der Sonne zerfliegt! Gerade geht sie drüben über dem Meere unter. Ich sage Dir, draußen ist Licht und Wärme!
Und nochmals Lebewohl!!!!
  1. 1 Für die Redaktion bestimmte Briefe und Sendungen wolle man nicht an die Person eines Redakteurs, sondern stets an die Redaktion der Frankfurter Zeitung adressiren.
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