Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Bureau à Paris Paris, 29. Sept.
Mein lieber Freund,
Dein Brief hat mich etwas später erreicht, da er recommandirt war. Gestern Abend habe ich ihn erst in Händen gehabt. Deine herzzerreißende
Schilderung hat mich tief erschüttert. Armer, armer Freund! Und ich habe nicht einmal
bei dir sein und Dir mitfühlend die Hand drücken können!
Daß Du Dich mit Gedanken von Schuld
und Sühne quälen würde
st, ahnte ich
sofort. Liebes Kind, denk’ nur einmal ruhig über
die
sen tollen Un
sinn nach. Es i
st un
ser
×××× ×××××× ×××× verfluchtes Schreiber-
|Metier, das uns die
Manie gibt, überall Zu
sammenhänge zu
suchen. Wir leben ja davon, ich meine
kün
stleri
sch, daß wir Beziehungen zwi
schen den Dingen her
stellen. Aber das i
st ja ein
Schwindel, de
m↓n↓ wir dem Publicum vormachen. In Wirklichkeit gibt es keine Zu
sammenhänge. Es
i
st Alles nur ein plumpes und ungeordnetes Nebeneinander. Das wi
ssen wir, wenn wir
ehrlich
sind, be
sser als alle Anderen. Und nun
sollten wir uns gar
selb
st damit
betrügen? Ich bin
son
st ein ruhig und klar denkender Mann. Und auf einmal
soll ich
mich zum Aber
|glauben wenden, blos weil ich darin
allerlei Vorwände finde
n, um mich
selb
st zu martern?
Schuld und Sühne sind literari
sche
Pointen, und
ich ver
sichere Dich, das Schick
sal gibt
sich nicht damit ab, Dramen zu
schreiben.
Auch leugne ich aufs Ent
schieden
ste, bei
streng
ster Beurtheilung, jede Spur von
Schuld. Du ha
st zärtlich und liebevoll Alles vorbereitet für den Eintritt des
Kindes in die Welt. Wie
soll
man denn noch mehr ein We
sen lieben, das noch nicht exi
stirt? Und wo
steht
ge
schrieben, daß Jemand, der ein Kind erwartet, aufhören
|soll,
sein eigenes Leben zu leben? Wenn die Liebe
der Väter auf Leben oder Nichtleben der Kinder Einfluß hätte, wie kommt es dann, daß
zahlreiche Kinder in der Welt herumlaufen, die nicht einmal wi
ssen, wer ihr Vater
war? . . . . .
Daß Einem in Augenblicken des Schmerzes Manches klar wird, bestreite ich auch. Nur in
der Ruhe sieht man klar, der Affekt täuscht, und der Schmerz lügt ebenso wie die
Freude. . . .
Wäre ich nicht ein
so arm
seliger Sklave,
so wäre ich
sofort nach Empfang Deines
Briefes
|nach
Wien gekommen. Inzwi
schen bi
st Du ja übrigens
sicher ruhig und gefaßt
geworden. Es i
st eine traurige Ge
schichte; aber wenn man
sichs genau überlegt, wird
doch alles We
sentliche unberührt
sein, wenn einmal der Sturm vorüber i
st. Eine
Hoffnung hat
sich nicht erfüllt. Man wi
scht
sich die Thränen ab und hofft aufs Neue. . . .
Bitte,
schreib’ mir bald, wenn auch nur drei Worte. Wi
ssen möchte ich auch, ob
Richard informirt i
st.
Grüße Deine
Freundin,
|die liebe, prächtige
Frau, die
so
sacht zu dulden weiß, und
sei Du
selb
st von ganzem Herzen gegrüßt.
In Treue
Dein
Paul Goldmann
Ich werde natürlich die Idee nicht los, daß das Alles
so gekommen i
st, weil
es meinen Namen tragen
sollte.