Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 27. 6. [1892]

Directeur: M. L. Sonnemann. Paris, 27. Juni.
Journal politique, financier,
commercial et litteraire.
Paraissant trois fois par jour
Bureaux à Paris:

Mein lieber Arthur!

Mir scheint, wir haben uns im selben Moment hingesetzt, um aneinander zu schreiben. Auch das soll als ein liebes Zeichen genommen werden. Wie unendlich, aus tiefstem Herzen froh Du mich mit Deinem Brief gemacht hast, kann ich Dir nicht sagen. Ich bin sstolz, sstolz auf diese treue Freundschaft, die Du mir entgegenbringst. Und das ist das einzige wirkliche Gut, das mir das Leben bisher geboten. Ich habe heut wieder einmal |nach langer Zeit ein warmes Aufwallen von Glück im Herzen gehabt und danke das Dir. Oh. . .  doch lassen wir die Gefühle. Mein Privatleben verlange nicht zu wissen. Ich wüßte auch nicht, wie ich es Dir schildern sollte in seiner Öde und Verlassenheit. Ich bin ein armer einsamer Narr, und betrinke mich an Arbeit, um das auf Stunden zu vergessen – mein bewährtes Recept. Verkehr außer Arthur Klein nur ein seltsamer Bursch von einem dänischen Maler, viel mehr Millionärssohn, der gern großer Künstler werden möchte und an seinem Dilettantismus |und an unglücklicher Liebe zugrunde geht. Seltsamer, sehr lieber Mensch, der sich zweifellos in den nächsten Jahren erschießen wird. Um ihn herum ein oder zwei Freunde, auch deutsche Millionärssöhne, gutmüthig, mit künstlerischen Inspirationen, inoffensiv. Arthur Schnitzler ist in diesem Kreise ein bekannter Begriff; ich lese Dich vor, ich schildere Dich etc. etc. In französische Kreise ist nicht hineinzukommen. Der sale Prussien  klebt Einem wie ein Pesthauch an, vor dem sich alle Thüren |versperren. . . . 
Thu’ mir den einzigen Gefallen, laß’ Dich nicht in Prag aufführen! In Prag kann man Dich erstens nicht verstehen und zweitens nicht spielen. Die Sache muß Mißerfolg haben, und damit verdirbst Du Dir dann Deine Berliner Aufführung. Warte ruhig ab! Glaube mir, Deine Zeit muß kommen. Aber über Prag geht man nicht zur Höhe der Künstlerschaft. . . . 
Es freut mich unsäglich zu hören, daß Du an der Arbeit bist. Schaffe, liebster Freund, und werde nicht |müde! Du bist der Einzige von uns, der eine Zukunft hat!
Und das dauert auch noch fort? Ich kenne mich nicht mehr aus: ist es gut? ist es schlimm? Da gibt es nur Eines: die Dinge zu Ende leben; und kommt kein Ende, so ist es deshalb, weil es vielleicht keines gibt. Obwohl ich glaube, daß, wenn Du Dich einmal losrissest und in die Welt hinausgingst, die herrliche, große, Dir die zwei weißen Arme doch zu eng erscheinen würden, die jetzt Deinen |Lebenskreis begrenzen. Versuche es! Einen Monat! Komm hierher, oder irgendwohin! Sieh’ Dir die Sache von außen an! Ich meine, Du bist die Probe Dir schuldig und denen, die an Dich glauben. Geht’s nicht ohne das verteufelte Glückso kannst Du ja immer noch heimkehren.
Sei innigst umarmt! Tausend Dank!
Dein
treuer
 Paul Goldmann.
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