Marie von Ebner-Eschenbach an Arthur Schnitzler, 13. 9. 1910

    |Sehr alt bin ich, Ihr Freunde und Verwandten,
    und nicht imstand, geliebte Gratulanten,
    zu danken so für Eure Huld und Güte,
    wie mich verlangt gar innig im Gemüte.
    Doch habt Geduld; vielleicht erscheint der Tag,
    an dem zu Kraft ich wieder kommen mag,
    und was ich jetzt muß still im Herzen tragen,
    aufjubelnd darf mit heller Stimme sagen.
    Laßt nur die Zeit, die liebe Zeit verfließen,
    ein neu Beginnen dankbar mich genießen;
    geraten erst in Zug die Zehn mal acht,
    dann fühl’ ich wieder mich ganz jung gemacht.
    Dann führt vielleicht zum Siege noch mein Ringen
    und spendet, was ich heut’ entbehren muß,
    die Fähigkeit, Euch würdig darzubringen
    aus voller Seele meinen Dankesgruß.
Marie von Ebner-Eschenbach.
Zdißlawitz, 13. September 1910.
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