Arthur Schnitzler an Thomas Mann, 30. 1. 1929

|30. 1. 1929.

Lieber und verehrter Herr Thomas Mann.

Sie haben jedenfalls vom »Book-of-the-Month Club« ein ähnliches Schreiben erhalten wie ich und man hat auch Ihnen einen gewissen Betrag, sozusagen einen jährlichen Gehalt, offeriert, um als Mitglied eines Advisory Committee zu fungieren, das seine Meinung über die Empfehlungswürdigkeit der in Deutschland erscheinenden Bücher zum Zwecke einer Auswahl für die Liste des »Book of the Month Club« auszusprechen hätte. Mir ist es nun nicht ganz klar, ob es eigentlich angeht, für eine solche Ehrenstelle, die mit nennenswerten Verpflichtungen kaum verbunden ist, einen Gehalt zu beziehen; andererseits aber weiss ich nicht recht, von wem und in welcher Weise die Annahme einer solchen Stelle oder eines solchen Ehrenamtes falsch aufgefasst werden könnte. Trotzdem werden meine freilich sehr vagen Bedenken erst beschwichtigt sein, wenn ich erfahre, dass Sie den Vorschlag des »Book of the Month Club« zu akzeptieren gesonnen sind. Vorläufig habe ich dem Klub als prinzipiell nicht abgeneigt, doch aufschiebend geantwortet. Durch eine baldige Rückäusserung, mein verehrter Herr Thomas Mann, würden Sie mich sehr verbinden.
Ich habe sehr bedauert, Ihnen anlässlich Ihres letzten Besuchs in Wien nicht begegnet zu sein. Ein nächstes Mal, sei es hier, sei es anderswo, hoffe ich nicht nur Gelegenheit |zu finden, sondern auch wieder in der inneren Verfassung zu sein, Ihnen die Hand zu drücken und mich an vernünftigen und fruchtbaren Gesprächen zu beteiligen.
Mit den herzlichsten Grüssen
Ihr wärmstens ergebener

Herrn Thomas Mann,
München.
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