Mein lieber und verehrter Freund, daß ich nicht nach
Kopenhagen gekommen bin, war niemandem
aergerlicher als mir, aber niemand hatte weniger Schuld daran. Hören Sie wie es
war: Ein sehr netter junger Mann aus
Daenemark, Herr
Axel Fraenckel,
Literat, forderte mich im Namen eines »radicalen« Studentenbundes auf, in
Kopenhagen zu lesen. Ich war mit Vergnügen
bereit – ja ich spielte mit dem Gedanken gerade den
15 Mai in
Kopenhagen und womöglich mit Ihnen
zuzubringen. Ich erklärte, daß ich im
Haag, (wo
ich, wie in
Amsterdam u
Rotterdam aus meinen Werken vorlas)
definitive Aus Nachrichten abwarten wolle u. zw. bis
spaetestens
30. April. Ich war bis zum
8. Mai in
Holland – es kam keine Zeile, – und ich
selbst konnte mich nicht an den Studentenbund wenden – schon darum, weil mir
weder der officielle Name, noch die Adresse noch der Name des Obmanns
|bekannt war – so dacht ich man habe in
Kopenhagen auf mein Kommen verzichtet, – fuhr
nach
Berlin, – wo mir – über
Haag, – und
Wien – (die
kürzeste Verbindung) ein Telegramm nachgesandt wurde – von dem Studentenbund –
ich möge meinen Ankunftstag melden. Nun aber hatt ich meine Dispositionen schon
total geändert u. es war zu spät, wieder in den Norden zu reisen; – auch hatt
ich einigermaßen die Lust verloren. So verbracht ich meinen Geburtstag –
vollko
mmen allein – in
Nürnberg und fuhr von da nach
München und
Wien. Entweder
ist ein Brief in den
Haag verloren gegangen
oder die Herren vom Studentenbund haben die Angelegenheit etwas zu lax behandelt
– aber ich hoffe, ein nächstes Mal – vielleicht im nächsten Frühling (freilich –
schon »am nächsten Tag« ist ein kühnes Wort) – wird die Sache zu Stande kommen.
|Morgen fahr ich nach
Graz, wo ich zweimal vorlese – ein etwas ärmlicher Ersatz
für
Kopenhagen und Sie.
Und für Ihre lieben Worte, mein verehrter Georg Brandes, kann ich Ihnen nur schriftlich danken. (Haben Sie
denn auch meinen Brief zu Ihrem soundsovielten
Geburtstag bekommen?)
Anfang Juli bring ich meine
Kinder an den Starnbergersee zu ihrer
Mutter. (Mein
Sohn, bald zwanzig, ist für die nächste Saison schon
hier am
Raimundtheater engagirt; er studirt auch
Philosophie an der
Universität, arbeitet auch theatergeschichtlich, macht
Inszenierungspläne, zeichnet u malt Figurinen, treibt viel Musik; meine
Tochter, bald dreizehn,
geht ins Gymnasium.); meine Sommer
|pläne sind
noch etwas unsicher; – ich wünschte sehr, nach ziemlich unruhigen und verwirrten
Zeiten, ins geordnete Arbeiten zu gelangen – und, insbesondre ein
Stück zu vollenden, dessen
letzter Akt an der
daenischen Küste spielen
soll. Ich baue dort ein köstliches Hotel hin wie ich es seinerzeit am
Völser Weiher (
im weiten Land) gethan – mögen mir die Gestalten auch so gelingen, wie
das Hotel – es ist ersten Ranges.
Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und seien Sie von Herzen gegrüßt.
Von Ihren
atheniensischen Abenteuern hatt ich
hier schon in der Zeitung gelesen. Mein Garten steht voll Rosen; – bin ich auch
kein
griechischer Student – ich streue sie
alle im Geiste auf Ihr theures Haupt!
In Treue
Ihr
Arthur Schnitzler