Robert Adam an Arthur Schnitzler, 23. 11. 1917

|Wien, am 23. November 1917

Hochverehrter Herr Doktor!

Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihre neue Komödie, die mich, wie alles, was Ihrem Geiste entspringt, auf’s Höchste gefesselt und befriedigt hat!
Nun, da ich sie kenne, ist mir das Geschrei, das in den Theaterurteilen der Tagespresse erscholl, vollkommen erklärlich. Die Herren zeichnen sich vor allem durch große Wehleidigkeit aus und schrecken vor nichts ssehr zurück als vor dem, was ihnen die Gefahr der Selbsterkenntnis droht. Sie wollen nur angreifen, nicht angegriffen werden, und wenn sie schon einen Angriff hinnehmen müssen, ssoll doch nicht etwas wie Mitleid mit ihnen |darin vernehmbar sein. Journalisten und Weiber wollen voll genommen werden, in Liebe und Haß, in Krieg und Frieden. Sie aber haben sie nicht voll genommen, und Sie haben ein weiteres Verbrechen begangen: Sie haben hinter das Dogma ein Fragezeichen gesetzt, auf dem der Wesensstolz des Journalisten ruht: daß »Gesinnung« den Mann mache (my platform is my castle). Nimmt man hinzu, daß in einigen Sätzen Ihres Leuchter Anspielungen auf die Totschweigepolitik des »Trompeters von Jericho« erblickt werden konnten, so ist der Zorn derer von der »Gegenwart« noch erklärlicher; und die »Elegante Welt«, die Ihnen vieles noch nicht verziehen hat, geht eben mit. Sie haben sich alle, alle doch solidarisch erklärt: sie bleiben – im Grunde, was sie sind. –
Mit den herzlichsten Grüßen |und Empfehlungen Ihr ergebener
Robert Adam
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