|Wien, am
12. Oktober
1917.
Hochverehrter Herr Doktor!
Ich über
sende Ihnen (da ich glaube, daß Sie es mir ge
statten) meine jüng
ste
Tragikomödie, »
Juda«, die
soeben
fertiggewordene Arbeit des letzten Halbjahres, mit der Bitte,
sie zu le
sen, und
mit der Bitte um Rat, was ich damit anfangen
soll. Ich habe das Gefühl, daß es
das er
ste Theater
stück i
st, das ich ge
schrieben habe; ob es, mit meinen anderen
Arbeiten verglichen, einen Fort
schritt bedeutet oder aber einen Rück
schritt, das
kann ich
selb
st, und gar jetzt
schon, nicht beurteilen. Bühnenwirk
sam dürfte es
sein, wenig
stens in
seiner zweiten Hälfte; aber ob nicht mein Stoff
|knabenhaft-töricht i
st, fragen immer wieder
nicht zu widerlegende Skrupel (denen allerdings eine dem Milieu des Stückes
gemäße Gegenfrage zu antworten weiß: welcher Theater
stoff i
st nicht kindi
sch?)
Mit einem Worte: ich
stehe meiner Arbeit nun, da
sie vollendet i
st, mit
sehr
schwankenden Gefühlen und urteilslos gegenüber.
So bin ich auf den ersten Eindruck, den sie auf Sie, hochverehrter Herr Doktor,
machen wird, sehr gespannt und sehe Ihrem Urteil, das Sie mir ja wohl nicht
weigern werden, mit Angst und Beben entgegen. Ist das Ganze als Ganzes etwas
wert oder nicht? Daß mir gewisse Einzelheiten nicht mißlungen sind, glaube ich
allerdings. –
Und wenn das Stück etwas wert
|sein
sollte:
soll
ich’s dem
Burgtheater und dem
Münchner Hoftheater einreichen? oder
soll ich mein Heil bei
akatholi
schen Theatern
suchen?
Wenn ich wenigstens zur »jungen Generation« gehörte! Aber ach! ich darf mich
nicht mehr zu ihr zählen (und Gott möge mich vor solchem bewahren!) und zur
»alten Generation« habe ich auch nicht mehr gehört. Wo soll ich ein Plätzlein an
der Sonne suchen? –
Indem ich Sie bitte, mir die 180 Seiten lange Ein
sendung nicht zu verübeln,
verbleibe ich mit den ergeben ten Grüßen Ihr
Robert Adam