Georg Brandes an Arthur Schnitzler, 23. 12. 1914

|Herrn Dr. Arthur Schnitzler

|Kopenhagen 23 Dec 14

Verehrter und lieber Freund

Es freute mich ein Lebenszeichen von Ihnen zu sehen. Es freut mich noch mehr, dass Sie und die Ihrigen in guter und ruhiger Stimmung sind. Meine einzige Tochter ist in Berlin verheirathet. Ihr junger Mann ist Fabrikant und Gardelieutenant der Artillerie, er wurde schon im September zum Oberlieutenant befördert und bekam im November das eiserne Kreuz. Aber er ist in steter Lebensgefahr. Meine Tochter war mehrere Monate hier mit zwei Kleinen, einer Tochter von 7 Jahren und einem Jungen von 2 Jahren, beide sehr hübsch; sie ist jetzt in Berlin und natürlich recht unruhig und mitgenommen von der ewigen Spannung. Ich arbeite viel, schreibe im Augenblick ein Buch über Goethe, parallel zu dem, ich einmal über Shspeare schrieb. Ausserdem habe ich fast jeden Monat ein grosses Essay veröffentlicht.
Grüssen Sie Ihre Frau Gemahlin und Beer-Hoffmanns. Ihr
G. B.
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