27. 2. 1913
Lieber und verehrter Freund.
Ihr
Bild ist aus
Paris eingetroffen, es ist ausserordentlich gelungen, hat uns grosse Freude
gemacht und wir sagen Ihnen herzlichen Dank dafür.
Im »
Merker« habe ich eben Ihren höchst anregenden
Artikel über Theater in
Deutschland gelesen. Dass meine neue Komödie
»
Professor Bernhardi« Sie so lebhaft
interessiert hat, ist mir sehr lieb. Es ist über dieses Stück gar viel herumgeredet
und – nicht immer bonafide – herumgeschwätzt
worden↓,↓ und auch Sie, verehrter Freund, sind wie speziell aus einer Ihrer
Bemerkungen hervorgeht, über die Entstehungsgeschichte meines Stückes nicht ganz
richtig informiert worden. Die
Komödie behandelt nicht eigentlich »ein Lebensschicksal, wie es mein Vater
erfahren hat, der Inhalt ist vielmehr frei erfunden. Mein
|Vater hat wohl seinerzeit,
mit Freunden zusammen, ein
Krankeninstitut in der Art des Elisabethinums gegründet, hat es gegen
mancherlei Anfeindungen mit Aufgebot seiner ganzen Begabung und Tatkraft, natürlich
nicht ohne die Mithilfe ausgezeichneter Arbeits- und Kampfgefährten, zu hoher Blüte
gebracht und musste insbesondere gegen Schlus seines Lebens von mancher Seite Undank
und Kränkung erfahren; – aber wenn sein Ausscheiden aus dem von ihm gegründeten
Institut vielleicht auch Einem oder dem Andern nicht unangenehm gewesen wäre, er ist
keineswegs »hinausintrigiert« worden, ja,
es ist
sogar als Direktor des
Instituts
am
2. Mai 1893 gestorben. Uebrigens hat mein Titelheld, der »
Professor Bernhardi«, von
meinem
Vater nur wenige Züge
entliehen,und auch die anderen Figuren meines Stückes sind, mit der freilich
unerlässlichen Benützung von Wirklichkeitszügen so frei gestaltet, dass nur
Kunstfremde, an denen es natürlich
|niemals
mangelt, hier von einem Schlüsselstück reden k
o↓ö↓nnten. Meine
Komödie
hat keine andere Wahrheit als die, dass sich die Handlung genau so, wie ich sie
erfunden
, habe, zugetragen haben könnte, – zum
mindesten in
Wien zu Ende des vorigen
Jahrhunderts.
Ich sende Ihnen diese Zeilen nach
Kopenhagen,
freilich ohne zu wissen, ob Sie jetzt schon zurück sind. Man schickt Ihnen den Brief
wohl nach, sei es nach
Paris oder anderswohin.
Kommen Sie vielleicht über
Wien, wenn Sie
heimreisen? Oder wo sonst werden Sie im Frühjahr sein? Es wäre schön einander einmal
im Süden zu begegnen.