Arthur Schnitzler an Georg Brandes, 12. 10. 1911

Lieber und verehrter Herr Brandes,

ich habe mich in der Angelegenheit des Frl. Prozor gleich an die Neue Freie Presse gewendet; hier das Resultat.
Sie reisen überall hin – nur nach Wien wollen Sie niemals kommen! Nun, vielleicht führt uns der nächste Sommer wieder nordwärts, und man sieht einander wieder. Es freut mich immer so sehr in Ihren Briefen zu lesen, daß Sie meiner |in Sympathie gedenken;– was Sie, mein verehrter und lieber Freund mir bedeuten – mir schon bedeutet haben, lang eh Sie von meiner Existenz wußten, das fühlen Sie wohl! Nur schade, daß man sich meist an diesem Wissen u Fühlen muß genügen lassen – und in so vielen vielen Jahren innerer Zusammengehörigkeit keine fünfzig Stunden miteinander verbracht hat!
– Ich bin nun mit den Proben meiner |neuen Tragikomödie »das weite Land« beschäftigt – am Sonntag ist die Première zugleich am Burgtheater, in Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und noch etlichen andern Städten. Sie werden das Buch in diesen Tagen bekommen; hoffentlich werden Sie einige Freude daran haben.
– Der schwarze Rand dieses Blattes besagt, daß meine Mutter gestorben ist. Es sind nun fünf Wochen her – nach einer |Lungenentzündung, von der sie gar nichts verspürte (sie glaubte im Sanatorium eine Mastkur zu gebrauchen,) ist sie ruhig eingeschlafen für ewige Zeit. –
Leben Sie wohl, erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und lassen Sie uns ein Wiedersehen in guter Gesundheit erhoffen.
Herzlichst der
Ihre
ArthurSchnitzler
Meine Frau grüßt Sie. Auch sie möchte so gern wieder einmal Georg Brandes sehen!
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