|Wien, XVIII.Sternwartestr. 71
12. X. 911
Lieber und verehrter Herr Brandes,
ich habe mich in der Angelegenheit des Frl.
Prozor gleich an die
Neue Freie
Presse gewendet; hier das
Resultat.
Sie reisen überall hin – nur nach
Wien wollen Sie
niemals kommen! Nun, vielleicht führt uns der nächste Sommer wieder nordwärts,
und man sieht einander wieder. Es freut mich immer so sehr in Ihren Briefen zu
lesen, daß Sie meiner
|in Sympathie
gedenken;– was Sie, mein verehrter und lieber Freund mir bedeuten – mir schon
bedeutet haben, lang eh Sie von meiner Existenz wußten, das fühlen Sie wohl! Nur
schade, daß man sich meist an diesem Wissen u Fühlen muß genügen lassen – und in
so vielen vielen Jahren innerer Zusa
mmengehörigkeit
keine fünfzig Stunden miteinander verbracht hat!
– Ich bin nun mit den Proben meiner
|neuen
Tragikomödie »
das weite Land« beschäftigt – am
Sonntag ist die Première zugleich am
Burgtheater, in
Berlin,
München,
Hamburg,
Frankfurt und noch etlichen andern Städten. Sie
werden das
Buch in diesen
Tagen
haben↓bekommen↓; hoffentlich werden Sie einige Freude daran haben.
– Der schwarze Rand dieses Blattes besagt, daß meine
Mutter gestorben ist. Es sind nun fünf
Wochen her – nach einer
|Lungenentzündung,
von der sie gar nichts verspürte (sie glaubte im Sanatorium eine Mastkur zu
gebrauchen,) ist sie ruhig eingeschlafen für ewige Zeit. –
Leben Sie wohl, erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und lassen Sie uns ein
Wiedersehen in guter Gesundheit erhoffen.
Herzlichst der
Ihre
ArthurSchnitzler
Meine
Frau grüßt Sie.
Auch sie möchte so gern wieder einmal Georg Brandes sehen!