|Montag früh.
mein guter lieber Arthur
es tut mir
so tief
schmerzlich leid Ihnen weh getan und Sie geärgert zu haben – und
wenn
sich das Ganze auch (wie Sie
sehen werden) gar nicht in der Wirklichkeit
abge
spielt hat –
so haben Sie darum nicht minder eine unangenehme Stunde durch mich
erfahren, haben
sich,
|müde und
enerviert nach einer langen
Probe, hin
setzen und
mir die
sen begreiflichen und berechtigten Brief
schreiben mü
ssen – dies alles tut mir
so furchtbar leid, ge
stern und heute nacht, gegen Morgen, jedesmal zur gleichen
Stunde, wache ich auf und denke an Sie und Ihre Ver
stimmung gegen mich mit einem
so
|grä
sslichen Gefühl – ge
stern
nachmittag wollte ich zu Ihnen, hatte aber wirklich zu
sehr Ang
st, da
ss wir uns, wenn
auch nur für einen Augenblick, verdü
stert gegenüber
stehen
sollten –
so
schreibe ich
lieber und bitte Sie vor allem herzlich, mir die
se unglückliche Sache zu verzeihen
und
|S↓s↓ie
soweit als möglich aus Ihrem Gedächtnis zu verbannen.
Meine unglückliche
St Feder hat etwas
sehr
Unge
schicktes hingemalt aber die hä
ssliche Härte und Rohheit, die Sie herausgele
sen
haben, war es nicht –:
das hatte ich weder gethan
noch vermeinte ich, Ihnen auch extra noch nach
|Jahren mitzuteilen, da
ss ich es
getan hätte. Nein!
sondern: wenn ich
schrieb »halb ab
sichtlich, halb unab
sichtlich«
so meinte ich einen jener Schwebezu
stände des Willens, zwi
schen Bewu
sst und
Unbewu
sst, aber doch ziemlich tief im Unbewu
ssten, dem
Freud in der
Psychopathologie
des Alltagslebens ganze Ne
ster und
|Ketten
sehr gei
streich nachgewie
sen hat, jenes
scheinbar völlig unbewu
sste fallen la
ssen eines Bildes, weil man
gegen die Per
son, die das Bild dar
stellt, etwas verborgenes Bö
ses auf dem Herzen
hat, – kurz eine Tat, die vor keinerlei Forum gezogen werden kann, kaum vor das des
allerzarte
sten eigenen Gewi
ssens,
so
sehr verbirgt
sie
|sich ins Dunkel des Unbewu
ssten –
und wenn ich das heute aus
spreche,
so nehme ich jenen intim erregten Zu
stand gegen
das
Buch eben heute
hi
stori
sch, fühle mich frei davon und darf darum gerade aus Ihrer Hand mit allem,
auch dem zarte
sten Recht, ein neues
Exemplar erbitten.
Da
ss ich ein
Exemplar |mit einer Zueignung
im bürgerlichen Sinn eben
so wenig in der Ei
senbahn liegen
la
ssen
wollte als meinen Regen
schirm oder
Spazier
stock, das lieber Arthur, bitte ich Sie, zu glauben.
So. Ich habe dies ausge
sprochen, weil ich finde, da
ss
man in
so zarten Dingen, wie Freund
schaft und Liebe, auch das auf
sich nehmen mu
ss,
was man hätte begehen können. Und
|da
ss ich ein
solches
symboli
sches Liegenla
ssen des
Buches damals hätte vollbringen können,
glaube ich darum, weil ich mir eben eingebildet hatte, ich hätte es wirklich in der
Ei
senbahn verloren.
Nun weiß ich
seit ge
stern, da
ss
gar nicht ich das
Buch
verloren habe,
|sondern
Gerty, die darüber natürlich
sehr unglücklich war, eben der
Widmung wegen, vergeblich bei Conducteuren und Stationschefs
sich bemühte es
wiederzubeko
mmen und es aber nicht wiedererlangen
konnte.
Es war al
so eine Gedächtnis-täu
schung
|meiner
seits, und die unglücklichen
Worte jener Nach
schrift aus
Graetz haben
sich auf
ein Doppelt-nichtge
schehenes bezogen, auf den Schatten eines Schattens oder noch
weniger.
Also seien Sie mir wieder gut, mein lieber Arthur, und glauben Sie weiter, was Sie
|zu glauben, denke ich, nicht
aufgehört haben, dass es sehr wenige Menschen auf der Welt geben wird, die das Ganze
Ihres menschlichen und künstlerischen Daseins mit so großer Freude und Liebe, und so
viel Dankbarkeit für das unbegreifliche Phänomen der »Gleichzeitigkeit« erfassen, als
Ihr
Hugo.