Wenn ich keinen Zwicker trage (und aus Eitelkeit trage ich mei
stens keinen),
so
bin ich recht kurz
sichtig; überdies und auch dann i
st mein Per
sonengedächtnis
ein ziemlich mangelhaftes und ge
störtes, warum? Darüber möchte ich gerne etwas
näheres erfahren. Jedenfalls haben
sich meine Augen
schon manchen Ulk mit mir
erlaubt, die ärgerlich
sten und gröb
sten Verwechslungen
sind mir zugestoßen. Die
anfänglich vorhanden gewe
sene Geneigtheit, jede Agnoszierung ohne weiteres für
wichtig anzu
sehen, i
st infolgede
ssen einem
so zweifel
süchtigen Mißtrauen gegen
alle Wahrnehmung gewichen, daß es mir nur
sehr
selten gelingt, einen Begegnenden
richtig zu identifizieren oder gar
stets davon überzeigt zu
sein. Wie ich
glaube, i
st mir ein derartiges Malheur
schon einmal Ihnen gegenüber,
sehr
geehrter
↓Herr↓ Doktor, pa
ssiert, in einer Tramway nach
der Premiere der
Donnay’
schen
|Lysistrata. Ein anderesmal nach einer Vorle
sung im
Mariahilfer Arbeiterheim ver
schlug mir
die Befangenheit jeden Gruß. Ein gewi
sser kindlicher und doch dämoni
scher Trotz
und Eigen
sinn verbietet es, wenn man
sich von der ersten Lähmung des Willens
erholt hat, baldmöglich
st den Fehler gutzumachen. Nach dem Ge
setz der Trägheit
geht man den einmal genommenen Weg verdro
ssen oder ratlos weiter, und bevor man
sich von der Überrumplung durch die
selb
stver
schuldeten Ereigni
sse freigemacht
hat,
sagt man
sicher »Jetzt i
st
schon alles gleichgültig.« Ich würde derartige
Erlebni
sse trotz ihrer Wiederkehr gewiß nicht
so tragi
sch nehmen, wenn ich nicht
wüßte, wie
sehr derartige Unterla
ssungs
sünden dem Selb
stvernichtungstriebe
ent
sprechen, krankhaftes Benehmen und davon Betroffenen nicht gerade das Leben
erleichtert. Das
schlechter werdende Gehör trägt auch nicht dazu bei,
|die Lage angenehmer zu machen, ver
säumte Grüße
summierten
sich mit oft wider Willen emporgefahrenen bi
ssigen Antworten auf
falsch ver
standenen Bemerkungen, und entrißen mir die wenigen Freunde. Es i
st
eben
selb
st der Teilnahmsvoll
ste nicht immer in der Stimmung, kurz
sichtigen
Unver
stand von Hochmut, Eigentümlichkeit und Schrullen von Überhebung zu
sondern. Sollte
Mittwoch, den 5. Mai um 9
h früh meiner
seits Ihnen gegenüber eine
Kette neuerlicher Ver
stöße oder Sinnestäu
schungen vorgefallen
sein,
so wäre es
mir
sehr lieb, wenn ich von allerhand quälenden Betrachtungen befreit würde.
Fa
st
scheint es
so, als
stellte ich die unmöglich
sten Dinge bloß zu dem Zwecke
an, auch nachträglich ent
schuldigen zu können. Nie tat ich das Plau
sible,
seit
jeher
schon war ich mir ziemlich wehrlos ausge
setzt, und wenn es irgend anginge,
zöge ich
|wahrhaftig mit größtem Vergnügen aus mir
aus.