16. Januar 07
Sehr geehrter Herr Doktor!
Zu den vielen Glückwünschen, die Sie, sehr verehrter Herr Doktor, in diesen Tagen überfliegen
werden, auch meine bescheidene Gratulation.
Dürfte doch die
se
österreichisch so unverzeihlich lang hinausgezögerte Ehrung, die
nun,
schwer vermeidbar geworden, nicht einmal auf deren Urheber zurückfällt,
ge
schweige denn ihren Zweck erreicht, manchen, und unter ihren auch mich,
möglicherwei
se mehr und inniger gefreut haben als den Geehrten
selb
st, dem die jetzt
mit üblicher Rück
sichtslo
sigkeit hereinbrechende Briefflut vielleicht be
schwerlich
fällt
|und die Freude verkümmert. Aber
auch
so muß man einigermaßen froh
sein, daß
sich die Dinge etwas gebe
ssert haben,
indem
sich auch bei uns
sogar akademi
sche Preisrichter dem läng
st fe
st
stehenden
Urteil der Ver
ständigen bequemten. Denn gewiß: hätte es zu
Grillparzers Zeiten etwa einen
Walther von der Vogelweide-Preis gegeben, alle möglichen
Halme und
Gutzkows
hätten ihn erbuckelt, nur nicht den
Wiener
Dichter hätte man durch ihn
zu neuem Leben aufgerufen.
Jedenfalls, der Wun
sch,
solche und ähnliche Auszeichnung durch wiederholte
|Verleihung an den ihrer Würdig
sten eben
so
lächerlicher als trauriger Parteilichkeit entzogen zu
sehen, kommt mir aus dem
Herzen. Habe ich doch Ihnen,
sehr geehrter Herr Doktor, nichts Kleines zu danken:
Tro
st in der Krankheit, Ermunterung im Trüb
sinn, Anregung aus Ihren Werken –
namentlich dem prämierten
Stücke. Und wenn es mir gegönnt war, bloß den Anfang Ihres neuen
Romans mehrmals mit
stets erneutem Entzücken zu le
sen, haben Sie,
sehr
geehrter Herr Doktor, daran keinen geringen Anteil.
|Indem ich noch für diese Belästigung um
Entschuldigung bitte, verbleibe ich
Hochachtungsvoll
Ihr Ergebenster
Albert Ehrenstein