Albert Ehrenstein an Arthur Schnitzler, 16. 1. 1908

16. Januar 07

Sehr geehrter Herr Doktor!

Zu den vielen Glückwünschen, die Sie, sehr verehrter Herr Doktor, in diesen Tagen überfliegen werden, auch meine bescheidene Gratulation.
Dürfte doch diese österreichisch so unverzeihlich lang hinausgezögerte Ehrung, die nun, schwer vermeidbar geworden, nicht einmal auf deren Urheber zurückfällt, geschweige denn ihren Zweck erreicht, manchen, und unter ihren auch mich, möglicherweise mehr und inniger gefreut haben als den Geehrten selbst, dem die jetzt mit üblicher Rücksichtslosigkeit hereinbrechende Briefflut vielleicht beschwerlich fällt |und die Freude verkümmert. Aber auch so muß man einigermaßen froh sein, daß sich die Dinge etwas gebessert haben, indem sich auch bei uns sogar akademische Preisrichter dem längst feststehenden Urteil der Verständigen bequemten. Denn gewiß: hätte es zu Grillparzers Zeiten etwa einen Walther von der Vogelweide-Preis gegeben, alle möglichen Halme und Gutzkows hätten ihn erbuckelt, nur nicht den Wiener Dichter hätte man durch ihn zu neuem Leben aufgerufen.
Jedenfalls, der Wunsch, solche und ähnliche Auszeichnung durch wiederholte |Verleihung an den ihrer Würdigsten ebenso lächerlicher als trauriger Parteilichkeit entzogen zu sehen, kommt mir aus dem Herzen. Habe ich doch Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, nichts Kleines zu danken: Trost in der Krankheit, Ermunterung im Trübsinn, Anregung aus Ihren Werken – namentlich dem prämierten Stücke. Und wenn es mir gegönnt war, bloß den Anfang Ihres neuen Romans mehrmals mit stets erneutem Entzücken zu lesen, haben Sie, sehr geehrter Herr Doktor, daran keinen geringen Anteil.
|Indem ich noch für diese Belästigung um Entschuldigung bitte, verbleibe ich
Hochachtungsvoll
Ihr Ergebenster
Albert Ehrenstein
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