Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 12. 8. 1904

Lieber,

Ich ging gegen Abend vom Markt herauf, begegnete drei Frauen deren Gesichter ich nicht sehen konnte. Hinter mir sagte eine davon, ihr Gespräch fortsetzend: »und dann sind wir mit ihnen auseinandergekommen, das war zu der Zeit wie sie mit dem Arthur Schnitzler verlobt war« . . . und die andere sagte bestätigend: »ja, zu der Zeit war sie mit |dem Arthur Schnitzler verlobt«. Von wem kann da die Rede gewesen sein? Vielleicht von der ewigen Minnie?
Eine Stunde später soupierte ich mit Leuten: da hörte ich mir gegenüber einen zu seinem Nachbar sagen, auf englisch: »und dann hat mir der Manager gesagt, wenn Schnitzler fortfährt, |solche Sachen zu machen, wird man ihn als einen litterarischen Pariah behandeln (wörtlich.)« Das interessierte mich doch sehr und ich habe nach Tisch den Betreffenden angeredet: es ist der attaché bei der englischen Botschaft in Paris Mr. van Sittard, ein ungewöhnlicher junger Mensch, ganz jung, 23, ein Spieler, sehr elegant, hat die beste Prüfung gemacht, die in |der englischen Diplomatie seit vielen Jahren vorgekommen ist, war head-boy von Etonschreibt auf französisch Theaterstücke und hat was das netteste ist, eine unglaublich intensive Liebe für Ihre Sachen. Er findet sie weit besser als alles was auf allen englischen und französischen Theatern zusammen aufgeführt wird, worin er ja Recht haben dürfte.Als ich ihn besuchte (er |ist bis 23ten Altaussee, Villa Franckenstein) lag auf dem Tisch Vermächtnis, Beatrice, Sterben. Diese 3 waren das einzige was er nicht kannte und nachzuholen hatte. Er sagt also: es geschieht ihm nun schon das zweitemal das er ganz auf dem Punkt ist, seine von Ihnen autorisierte Übersetzung von 3-4 Anatolsachen auf eine |gute Bühne zu bringen und dass im letzten Moment Einspruch erhoben wird von Leuten, denen Sie auch die Autorisation erteilt haben. Sonderbarerweise kam während ich mit ihm redete ein Brief, in dem abermals ein Regisseur schreibt: »wenn Mr. Schnitzler fortfährt, sich so außerordentlich zu benehmen, wird niemand in England mehr etwas von ihm wissen |wollen.« Was liegt da vor? ich kenne Ihre ungewöhnliche Exactheit und habe van Sittard versichert, es muss da ein Schwindel vorliegen. Bitte klären Sie sogleich ihn oder mich auf, damit er nöthigenfalls durch einen Process da Klarheit schafft und seinen sschönen und ziemlich ungewöhnlichen Eifer nicht verliert. Es ist ein recht interessanter Mensch.
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Ich bin also von der Waffenübung befreit, d. h. sie ist auf den November verschoben, wo sie mich nicht sehr geniert.So treffen wir uns hoffentlich. Wo? Ischl, ich meine der Fleck Ischl selbst, wird mir vielleicht dadurch unmöglich, dass meine Schwiegermutter hingeht. Da käme ich eventuell an den Wolfgangsee, jedenfalls rechne ich auf Zusammensein, d. h. für den Fall dass Sie die Mutter nicht mithaben.
Von Herzen Ihr
Hugo
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