|Verehrter Freund! Vor allem Verzeihung, da
ss ich Ihnen bis jetzt
nicht für die Ueber
sendung Ihrer beiden
Werke gedankt habe.
Aber ich wollte nicht früher
schreiben, als bis ich den »
Schleier der Beatrice«, über den ich mancherlei gehört, auch gele
sen hätte; und ich
bin in diesen Tagen durch mannigfache Arbeit und
son
stige Scherereien nicht gleich
dazu gekommen. – Ich weiß, da
ss nichts lächerlicher i
st, als wenn man einem Kün
stler
über sein
|Werk
e Dinge
sagt, die er
selber viel be
sser weiß. Darum nur
so viel: Ich halte
die
se Arbeit für Ihre dichteri
sch bedeutend
ste. Die Idee, eine Handlung unter dem
Hochdruck, den das Vorgefühl
eines↓des↓ unentrinnbaren Untergangs erzeugt,
spielen zu la
ssen, und dadurch alle
Hemmungen fortzu
schaffen, die
sich den immerhin etwas wunderlichen Begebenheiten
son
st hindernd in den Weg
stellen möchten, finde ich genial! Die Ge
stalt der
Beatrice |unglaublich rührend und – wahr! Dabei
alles trotz der
schwülen Atmosphäre keinen Augenblick verletzend oder unfein!
Allerdings ge
steh’ ich, begreife ich ganz gut da
ss ein Theaterdirector das Werk
sich
nicht aufzuführen getraut. Un
ser Publicum, das täglich gemeiner wird – beachten Sie,
bei welchen Stellen in einem
Shakespearestück
gelacht wird – würde die Subtilität der p
sychologi
schen Vorgänge gewiß nicht
ver
stehen – da es
sich um das Werk eines Zeitgeno
ssen handelt. Wenn Sie
|Kleist oder
so jemand wären –
à la bonheur! Aber für einen Kreis ver
ständiger und dichteri
sch empfindender Men
schen wird
Ihr Werk ein wahrer Genuß
sein und bleiben. Ich danke Ihnen noch
sehr für Ihre Liebenswürdigkeit und