Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 12. 8. [1901]

|Rodaun 12 VIII

mein lieber Arthur

ich freu mich so herzlich darüber, dass Sie diesen Sommer zufrieden hinbringen. Daran kann man glaub ich, am deutlichsten selbssehen, wie gern man jemanden hat: ob es einen sehr freut, zu hören, dass er sich wohlfühlt. Könnte ich das gleiche nur auch von Richard einmal hören. Was für ein sonderbares Verhängnis ist über diesem Menschen bei fast lauter glücklichen Anlagen und Umständen.Das ist |eine besonders schöne Überraschung, dass ich Sie so bald wiedersehen werde. Das hatte ich mir nicht gehofft.
Da werden wir zusammen radfahren. Es ist wirklich so was schönes das Radfahren. Ich fahre immer gegen Abend, mit meiner Frau oder allein. Wie schön sind diese niederösterreichischen Dörfer, die dunklen Laubmassen auf den Hügeln, der starke grüne kühle Geruch eines schattigen Abhanges, die weißen Straßen hügelan und -ab, die bäurischen kleinen Gärten. Alles riecht so eigen, athmet einem sein |Wesen entgegen, jede Stunde hat ihren besonderen Geruch; wie schön ist es das alles zu fühlen.
Ich habe von hier immer ein Stück bergauf, aber dann sschöne Wege; gegen die Westbahn hin, Tullnerbach, Pressbaum, oder über die Sulz nach der Heiligenkreuzerseite.
Den Vormittag, ohne Ausnahme, arbeite ich an meinem großen Stück, mit sehr viel Zurückhaltung und Überlegung, ganz anders als sonst. Es ist |ja auch zum ersten Mal in meinem Leben eine wirklich dramatische Aufgabe. Schwer ist es, die Masse drängt so von allen Seiten auf einen ein. Ich schreibe den ersten Act in Prosa, vorläufig, um mich zur äußersten Deutlichkeit und Reallität in der Exposition zu zwingen.
Vom zweiten Act an geht die Handlung reißend vorwärts, einer der inhärenten Vorzüge dieses Stoffes.
Leben Sie wohl. Auf recht bald.
Von Herzen Ihr
Hugo
    Bildrechte © University Library, Cambridge