Ihre neue
sten
Bücher habe
ich mit großer Aufmerk
samkeit gele
sen, habe
sie in mir nachwirken la
ssen – und
so
gelange ich er
st heute dazu, Ihnen für die
so freundliche Über
sendung zu danken. An
beiden habe ich wieder Ihre bewährte Kraft der Seelenanaly
se und Milieu
schilderung
bewundert. »
Lieutenant Gustl« i
st freilich mehr ein
Virtuo
sen
stück; hingegen er
scheint aber »
Frau Bertha
Garlan« als ein um
so echteres Kun
stwerk. Man athmet die Luft der kleinen
Land
stadt und lebt die öden, gedrückten Verhältni
sse mit, als befände man
sich dort.
Daher kommt es auch, d
ss man
sich ungefähr in der Mitte des
Buches fragt, ob die
se Zu
stände
so eingehender
Behandlung auch wirklich werth
seien – und man fängt an, ein bißchen ungeduldig zu
werden. Aber die zweite Hälfte wirkt mit dem ergreifenden Schluß nach rückwärts wie
ein mächtiger elektri
scher Licht
strom, der allein und vor allem der Heldin vollen
Reiz und volle Bedeu
|tung verleiht. Jeder Zug in die
sem
stillen,
still
verlangenden und eigentlich nichts erlebenden Frauenleben wird als nothwendig
empfunden, prägt
sich tief ein, und
so wird »
Frau Bertha
Garlan« zu den Büchern gehören, die man niemals aus dem Gedächtni
sse
verliert. Man hat
sie, wenn ich nicht irre, zu
Madame Bovary in Beziehung bringen wollen. Höch
st
ungerechtfertigt! Denn es ist
alles ganz anders. Die
einzige Ähnlichkeit, die man aber an den Haaren herbeiziehen müßte, be
steht darin:
d
ss beide Romane in der Provinz
spielen. Aber
so
sind die Men
schen:
sie können eben
immer nur vergleichen!
Indem ich mich Ihnen mit wahrer Hochachtung empfehle, bin ich
Ihr alt ergebener
Ferdinand von Saar.