mein lieber Richard, vorge
stern Abend bin ich hier angeko
mmen, ich wollte dem Frühling entgegenfahren – und
seit
ge
stern
schneit und friert es. I
mmerhin i
st es in den
Mittag
stunden
schön. Heut
sowohl als ge
stern bin ich nahezu 6 Stunden
spazieren
gegangen. Weniger lang
|schrieb ich an der
Novelle, für die ich keinen
Namen habe.
Ihre hab’ ich in 2 Etappen
gele
sen, die er
sten 2 Capitel in der Ei
senbahn, die letzten 2 ge
stern Abend auf
meinem Zimmer (3. außer 4. im Bett) Also glauben Sie mir: es i
st ein wundervolles
Buch. Man hat allerdings das
Gefühl, als wenn die aneinandergereihten Edel
steine nicht auf einer Schnur,
|sondern auf einem Zwirnsfaden – oder gar nur in der
Luft aneinandergereiht wären – aber man mu
ss nicht alles als Kette um den Hals tragen
können. Im vierten
Kapitel steckt übrigens irgend wo ein frecher Schwindel –
das dürfte Ihnen nicht unbekannt
sein. Sie
setzen
sich
sozu
sagen plötzlich an eine
andre Orgel, die auch herrlich klingt –
|aber das
bewei
st nichts. – Nicht überall
scheint es mir geglückt, da
ss gegenwärtiges und
erinnertes
sich gegeneinander abhebt, wie es
soll; da
ss man das Bedürfnis hat, das
Buch wieder zu le
sen
dagegen i
st ja
sehr
schön; aber d
ss man es entschieden
2–3 Mal lesen
muss, i
st vielleicht ein Fehler. Ihre
Bilderpracht
schreit nach Jamben
|und nach Drama. Ja
es verlangt mich geradezu, einige von Ihren Vergleichen in Ihren Stücken
wiederzufinden und
sie auf der Bühne
sprechen zu hören. – Wunderbar i
st, wie
scheinbar belanglo
se Details zu ihrer Zeit ausgenützt und nachträglich voll Belang
er
scheinen. Das gibt den gewi
ssen Schauer. Überhaupt: meiner
|Empfindg nach
steckt viel mehr Dichteri
sches in dem
Buch als, wie gewi
ss
vielfach behauptet werden wird, Ver
stand. Sie wi
ssen wie ich das meine. So ge
scheidt
i
st bald einer – aber die Dinge
so sagen – ! Um
Goethe zu variiren:
Alles gescheidte ist schon einmal gesagt worden:
man muss nur versuchen, es – ganz
anders zu sagen. |Und »
ma foi« das
haben Sie gethan. –
Während ich die
ses
schreibe
sitze ich allein im Spei
se
saal, abends
9 Uhr. Außer mir lebt hier nemlich nur ein (noch) älterer Herr. Montag fahr
ich wohl wieder nach
Wien. Ich
sehn mich nach
niemandem – niemand
sehnt
sich nach mir. Das i
st nicht
senti
|mental –
sondern das i
st eben
so. Heut vor einem Jahr
war alles noch
so anders – und doch
schwebte es
schon über uns. . Ja ja, es
schwebt immer. . . »
Zeit ist nur ein Wort –« Könnte
von Ihnen, von
Hugo und von mir
↓(und etlichen andern)↓ sein. Zufällig
sagt es
Beatrice. –
Wie lang denken Sie noch auf Rei
sen zu
sein? Ich
schicke
|die
sen Brief nach
Florenz, wo ich Sie, glücklicher und wenn Sie wün
schen weniger witzig als in
Sanremo vermuthe. –
Mirjam hoff ich
so lu
stig als
sie war und Ihre
Frau so
erholt, als man es von
italienischer Luft
erwarten sollte. –
Von
Hugo wei
ss ich noch immer nichts, und
Gustav |hab ich von Ihnen gegrüßt. Thun Sie das gleiche von
mir an
Mayer, we
nn er
schon mit Ihnen zu
sa
mmenge
stoßen i
st (– was hoffentlich nicht weh gethan
hat.)