Arthur Schnitzler an Richard Beer-Hofmann, 19. 4. 1897

|Herrn Dr. Rich. Beer-Hofmann

|Ostermontag, 19. 4. 97.
Lieber Richard, ich weisss ja doch nicht, wann ich endlich Lust zu einem wirklichen Brief bekommen werde; sschreib ich Ihnen lieber diese paar Worte, um Ihnen zu sagen, dass ich an Wien mit heftigem Widerwillen, aber an ein paar Menschen, die ich nicht zu nennen brauche, mit einer Art von nicht besonders |schmerzlicher Sehnsucht denke. Es geht mir ganz gut; aber es ist eine verwickelte Art von Wohlbefinden, so dass ich durchaus nicht verwundert bin, mich zu Zeiten sehr miserabel zu befinden. Ich bin natürlich nicht allein und doch viel allein; bin im wesentlichen frei und doch zuweilen gebunden; freue mich sehr hier zu sein, weiss aber nicht wieviel auf Rechnung der |Freude kommt, nicht in Wien zu sein. Viel hier interessirt mich – und doch hab ich bei den allgemeinern Eindrücken nicht das Gefühl, neues zu erfahren; es bestätigt sich nur das meiste. Ich glaube dass ich gerne hier leben würde; man verschwindet und ist durchaus nicht beleidigt. Dass Verkehr etwas sehr großes bedeuten kann, spürt man hier; nicht |durch Multiplicationen kann man das mit Wien vergleichen; es ist was andres; brutaler, schöner und gemeiner. –
Paul ist auf ein paar Tage nach Frankfurt. Mir schreiben Sie nur weiter (nur weiter ist gut) an die Adresse Pauls, die ist jetzt 10 rue de la Bourse. – Ich wohne woanders, angenehm. Schreiben Sie mir was es Neues gibt. Aber sicher, bitte. Grüßen Sie Hugo, Leo, Salten, Schwarzk, Paula und andere a discrétion. Ihr
Arthur.
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