Laura Marholm an Arthur Schnitzler, 16. 4. 1895

16. April 95

Sehr geehrter Herr Professor

Ich erlaube mir Ihnen beifolgend mein »Buch der Frauen« zu übersenden, das in den Wiener Blättern viel besprochen worden ist und Ihnen daher vielleicht nicht als ganz unbekannter Gast in die Hand kommt. Ich hätte dazu – obgleich ich weiß, das Sie das, was lebendig und Lebensbeitrag in der Litteratur ist, mit aufmerksamen Blick verfolgen – doch nicht den Muth gehabt, wenn mir nicht ein gelehrter Herr in Straßburg, Dr. Kraft von der Frauenklinik, neulich geschrieben hätte, »Das Buch der Frauen« sei ihm durch die Übereinstimmung der intuitiv erfaßten Ausgangspunkte mit den anthropologischen, psychologischen und physiologischen Ausgangspunkten in Havelock Ellis »Mann & Weib« merkwürdig und verheißner für die Sache |der Frauenkenntniß selber und das Weitere, was ich zu sagen hätte. Und ich habe ja allerdings noch kaum mit dem Heraussagen angefangen.
Ich bin ganz u. gar nicht eine gelehrte Frau und halte auch nichts davon für die wirkliche Entwicklung des Weibes. Ich habe das Leben mitgelebt und einen Mann gefunden, der alle meine Möglichkeiten als Weib frei macht und zur Entwicklung treibt. Das ist alles und doch etwas Seltenes. Und darum wage ich es, Ihnen dieses Buch zu übersenden mit der Bitte, es gelegentlich anzublättern. Das ist immer alles, worauf es ankommt. Spricht ein Buch nicht zu einem beim ersten Hineinblicken durch die Blutmale in seinem Satzbau, durch die Seelenschwingung in seinem Stil – dann ist nichts rechtes dran.
Aber spricht es zu Ihnen, verehrter Herr Doktor, dann würden Sie mich durch ein Zeichen der Mittheilung nicht nur sehr froh machen, sondern auch zu weiterer Selbstmittheilung in anderen Büchern ermuthigen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Laura Hansson-Marholm
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