Arthur Schnitzler an Hugo von Hofmannsthal, 29. 7. 1892

|Wien 29/7 92

Lieber Freund,

nachdem Sie Ihr Gedicht nicht im Inhalt haben wollen, möchte ich auch jeden Titel weglassen, und es nur im selben Druck wie alles übrige haben, jedoch mit oben weit freigelassenen Rändern. – Einverstanden? –
Vorgestern habe ich meine Novelle beendet. – Ich hoffe, |sie wird, wenn sie erst durchgefeilt ist, als ehrenwerte Studie gelten können. Ich habe sie plötzlich zu Ende schreiben müssen, Nachts im Cafè, während schläfrige Kellner bereits die Sessel aufeinander thürmten. Ich habe sie sehr lieb gehabt – ich fühle mich ordentlich einsam, seit ich nicht mehr drüber denken muss. |(Siehe Freund Y). – Nun will ich wieder ans Stück. – Eben hab ich Blumenthal u Reicher geschrieben! – wie verdreht eigentlich die Welt ist! –
Was macht Ihr Stück? – Ich wundre mich, dass Sie zugleich zweiten und fünften Akt schreiben können. So sicher bin ich meiner Gestalten nie! Es kann ihnen doch im dritten Akt |was einfallen oder gar passiren, wovon ich im zweiten noch nichts rechtes weiss. Selbst wenn eine genaue Skizze vorliegt, wage ich es nicht und habe gewiss keine Lust dazu! Ich will mit ihnen weiter leben, und erleben, Gedanke für Gedanke und That für That, wie sie selber. Ich darf manches vorausahnen, aber wissen darf ichs nicht.
Herzlichst Ihr
Arthur
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