mein lieber Hugo, vor ein paar Wochen schon hat mir die
Hofrätin gesagt, Sie seien auf einen Brief an
mich ohne Antwort geblieben; ich will Ihnen nur mittheilen, d
ss Ihr Brief vom
19. 9. der erste ist, den ich seit vielen Monaten von Ihnen erhielt –
der letzte berichtete von Ihrem leidenden Zustand und ich schrieb Ihnen darauf, d
ss
ich gern einmal zu Ihnen nach
Rodaun käme, aber
darauf hatt ich von Ihnen nichts weiter gehört. Nun freuts mich sehr d
ss die neueste
Kunde so arbeitsfroh und hoffnungsvoll klingt und es wäre wahrhaftig schön, we
nn man wieder einmal einer jener feiertäglichen
Vorlesestunden entgegensehen dürfte – die nur im Lauf der Jahre um so viel seltener
geworden sind als selbst die seltensten Feiertage. Und was für eine Reihe von
festlich ergreifenden Abenden – von jenem ersten an, an dem Sie mir, an einem warmen
Juniabend war es, in der
Giselastraße, »
Gestern« vorlasen – oder war ich es, der mit dem
»
Märchen« anfing, in der
Seidlgasse, bei
Richard – ich weiß nicht mehr? Es kam wirklich wenig darauf an, ob das Werk
als solches mehr oder weniger vollendet war – der Beifall geringer oder größer – im
Rückblick bleiben es durchaus Stunden der kräftigsten, belebtesten Atmosphäre –
bessere, reinere: als wenn man dasselbe Werk zum ersten Mal der Oeffentlich
|keit zu praesentiren hatte. Ich bin höchst gespannt was
Sie aus
Altaussee mitbringen werden. Mit meiner
Arbeit (
Stück) geht es so
langsam vorwärts, d
ss ich fast von einem Stillstand sprechen kann – obzwar ich die
Continuität zum mindesten durch beharrliches Anstarren unbeschriebener Papierblätter
oder Ausstreichen des Geschriebenen festzuhalten versuche. Das letzte, was ich fertig
gemacht
↓habe↓, sind die »
Schwestern«, die bei
Reinhardt kommen
sollen; – mir selbst ist selten was von mir so lieb gewesen. Ich hab allerlei vor,
manches aus den letzten Jahren ist sogar recht weit gediehen; aber meine Arbeitskraft
ist – wohl unter dem Einfluss dieses grauenhaften Weltzustandes – so tief herunter
wie noch nie. Zu einer größern Reise hab ich mich nicht entschließen können, nun lädt
mich meine
Schwägerin sehr dringend nach
Partenkirchen (wohin auch
Olga im
Anschluss an ein
Münchner Concert
) gehen wird); aber mich graut vor Wartesälen,
Bahncoupés, Zollvisitationen, Gepäckaufgeben; und so wird auch daraus kaum was
werden. Ich bin in diesem Sommer
|nur in
Reichenau gewesen, einmal zehn Tage (mit all den Meinen) einmal drei Tage; – das ist für mich ein Ort so erfüllt von Erinnerungen der mannigfachsten
Art, d
ss ich ihnen, in der schweren Sti
mmung dieser So
mmertage, kaum gewachsen war. Immerhin wurden mir in
tausend und mehr Metern Höhe, auf Wiesen, an Waldesrand, ein paar gute Stunden.
– We
nn nicht früher mein lieber Hugo so sehe ich Sie wohl
bei der Generalprobe der
sonnigen Frau (ich
habe
Strauß um Einlaß gebeten, auch für
Olga, hoffentlich gehts) – ich kenne schon
allerlei daraus vom Clavier her und freu mich ganz besonders. Haben Sie de
nn nun auch die
Märchen-Erzählung, von der Sie mir öfters sprachen – die
denselben Stoff behandelt, fertig gemacht?
– Ich schicke diese Zeilen noch nach
Aussee.
Haben Sie weiterhin gute, reiche Tage!