Hochverehrter Herr Doktor!
Ich kann Ihnen vereinbarungsgemäß mitteilen, daß ich die »
Yppl«-Komödie nunmehr abge
schlo
ssen und heute zum Ab
schreiben
gegeben habe; im Laufe der näch
sten Woche erhalte ich von der Schreibma
schindame, die
mit den vielen Dialektworten nicht einver
standen und nahe daran war, ihretwegen das
ohnehin horrende Honorar noch zu
steigern, die Ab
schriften ausgefolgt. An der Komödie
habe ich bei der Überarbeitung nicht
sehr viel geändert; immerhin glaube ich durch
Einfügungen den Charakter der
Steffi vertieft und auch vom D
r Greil – der allerdings nie und nimmer ein intere
ssanter Men
sch werden wird – ein
klareres
|Bild gegeben zu haben; die
se
Zu
sätze betreffen fa
st aus
schließlich den 3. Akt (Straße). Das gei
streiche
Dilettantenstück habe ich,
soweit es anging, gekürzt. Ueber den 4. Akt müßten allerdings die
Schau
spieler, deren Aufgabe, Dilettanten
schau
spieler zu imitieren,
schließlich keine
undankbare i
st, hinweghelfen.
Ich möchte nun anfragen, hochverehrter Herr Doktor, wie ich es mit der Verwertung
meines Produkts am Be
sten anfinge. Daß mir
sehr viel daran liegt, diesmal anzukommen,
brauche ich nicht er
st zu
schreiben; dazu kommt nun aber doch noch der Um
stand, daß
es mir nun auch aus materiellen Gründen äußer
st erwün
scht wäre, mein Stück irgendwo
akzeptiert zu wi
ssen. Da es ganz unpoliti
sch und nicht einmal gar
so unmorali
sch i
st,
wird ihm die Neuge
staltung
Österreichs, hoff’
ich, nicht hinderlich in den Weg treten.
Ich habe auch daran gedacht, ob es nicht vielleicht anginge, das
|Stück vor allem einem Schau
spieler zu
geben, der eine der dankbar
sten Rollen zu
spielen hätte, etwa den
Präsidenten? Sie werden mir jedenfalls den
be
sten Rat geben.
Verzeihen Sie, daß ich Sie mit
so nichtigen Angelegenheiten, wie es das Ge
schick
meines
Stücks i
st, das fürwahr
keine »große« Komödie dar
stellt, zu einer Zeit belä
stige, die von Tag zu Tag größer
und größer und,
so fürchte ich, furchtbarer wird. Es kommt mir vor, als ob man
sich
jetzt mütterlich und müh
sam mit der Anfertigung von Kinderkleidchen abgebe und
möglicherwei
se nach deren Fertig
stellung zu Tage kommen werde, daß die Kinder
inzwi
schen
so gewachsen seien, den Kleidchen
entwach
sen
seien. All die
se neuen Staaten, die
sich kon
stituieren,
sind doch
eigentlich nur Form, und der Streit um Abgrenzungen und dergleichen ein Streit um
Formen; welcher Inhalt die
se Form füllen wird, davon i
st überhaupt noch nicht die
Rede. Aber
|die
soziale Frage hat immer
eine ge
sunde Lunge gehabt und wird
schon demnäch
st all die nationalen Schlagworte
überbrüllen. –
Ich hoffe, daß Sie von der † † † Grippe verschont geblieben sind und bleiben; mir und
den Meinen ist dies bisher gelungen.
Mit bestem Gruß Ihr
ergebener
DrRAdam