|Zistersdorf,
16. Juli 1915
Hochverehrter Herr Doktor!
Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief und be
stätige die Rück
sendung des
Manuskripts.
Das Urteil, das Sie über meine
Gaunerkomödie gefällt haben, hat mich einigermaßen betrübt, weil ich an
die
ser Arbeit, weshalb weiß ich eigentlich
selb
st nicht mehr, immer mit einer
gewi
ssen Affenliebe hing. Beruhte
sie im Grunde vielleicht auf Schadenfreude darüber,
daß jene Kumpane, die mir manche
saure Arbeits
stunde und viel bitteren Ärger geko
stet
haben,
sich meiner Laune fügen mußten? oder bloß aus Lu
st daran, daß ich die Erinnerung an alle die
se
Quälgei
ster durch ihre Verarbeitung losgeworden bin?
Sie sehen, daß es gewiß keine künstlerischen Gründe sind, die ich zur Erklärung
meiner Vorliebe heranziehe; und so muß ich auch, wenn |ich mich – gewiß etwas verspätet – zu objektiver Selbstkritik aufraffe, ganz
einfach offen zugeben, daß ich gegen Ihren Urteilsspruch keine rechten
Berufungsgründe aufzutreiben weiß. Daß ich mir mit dieser Komödie nicht die Tiefe
Berührendes, sondern wohl nur Ärger von der Seele geschrieben habe, habe ich bereits
angedeutet, und zum Schreiben selbst zwang mich nicht, wie bei andern Arbeiten, die
ich ernst nahm, die Macht einer Idee, die Ausdruck finden will und muß, sondern
lockte mich die Durchführung einer Pointe. Der Pointe gesellte sich allerdings eine
kleine Idee, aber beide waren sich fremd, und so kam es zwischen ihnen zu einer
mißhelligen Ehe.
Und jetzt er
st, da mir Ihre Kritik die
Komödie so gezeigt hat, wie
sie
sich, ohne meine Vorliebe
für sie ge
sehen, darstellt
e, weiß ich wieder etwas,
was mich die – wie ge
sagt,
schwer zu begründende – Freude über die vollendete Arbeit
verge
ssen ließ: Daß die Hauptveranla
ssung zur Nieder
schrift der Komödie eigentlich
die
sehr lebhafte Sehn
sucht war, endlich einmal etwas zu
schreiben, was
theatermöglich wäre und das große Publikum anzöge. Ich hielt mich einmal an den
zweiten Teil meines Wahl
spruchs (der zu den wenigen meiner gedruckten
opera gehört):
Aber ich gestehe ein, daß mir jetzt, da mir etwas ursprünglich »Hingeschmissenes« selbst den guten richtigen Geschmack verderben und meine – nicht immer versagende –
Fähigkeit der Selbstkritik geschmälert hat, die Gefährlichkeit dieser zweiten
Wahlspruchhälfte sehr klar geworden ist. –
Möge diese reumütige Beichte Ihnen genügen, hochverehrter Herr Doktor! –
Ich habe mich nun wieder in meine »
Rechtsphilosophie« einge
sponnen, deren er
ster Teil – es wird ein Buch von
über 200 Seiten werden – endlich der Fertig
stellung entgegengeht. Bin ich er
st die
se
La
st halbwegs los, dann will ich mich an die Ausführung eines Komödienplanes machen,
und ich hoffe, daß ich damit
seinerzeit die von der »
Gesellschaft« ge
schlagene Scharte auswetzen kann.
Mit den ergebensten Grüßen Ihr
dankbarer
Robert Adam