Ihr Brief ist mit seiner neuen Adressirung gestern angelangt. Nun weiss es der
Briefträger – glaube ich – auch schon wo »
Steinfeld 6« ist.
Hier, die gewünschte
Abschrift, des »
einen schönen Verses« aus der »
Welt i. d. m. sich langweilt«. Bitte, lassen Sie
die Verse vielleicht von Fräulein
Pollak
abtypiren, und schicken Sie mir die Abschrift zurück; ich brauche sie, um sie dem
Übersetzer ins
Ungarische (dem ich sie vor Monaten versprach)
zu schicken.
»
Das weite Land« habe ich auf der Fahrt mit
vieler Freude gelesen. Es hat den denkbar schlanksten Aufbau, und das bewusste
Nichtverkleiden des Constructiven wirkt am Ende – wo einem die Führung klar wird –
wie ein neuer Reiz. Sie haben, – glaube ich – bisher noch nie so straff die Zügel
aller Ihrer
|Figuren gehalten, und
man empfindet alles, was feinfühlige Kritiker »Beiwerk« nennen als woltuend, um
scharf gespanntes ein wenig zu lockern. Schon im »
Medardus« schien mir die Richtung erkennbar, nach der Sie sich nun wenden.
Es scheint, als genügte es Ihnen nicht, und wäre nicht in Ihren Absichten gelegen,
die stärksten Wirkungen von den einzelnen Menschen Ihres
Stückes, und ihren Schicksalen ausgehen zu
lassen, sondern als strebten Sie, bewusst, dahin, Einzelschicksale derart miteinander
zu verknoten, dass jedes Theilschicksal nur ein sich unterordnender Zug, eine Runzel,
ein Grinsen, ein Blick einer einzigen Schicksalsmaske würde, deren Ausdruck, am Ende
des
Stückes,
das wäre, was einem als Wesentlichstes haften bliebe.
|Sie können freilich sagen, – dahin
gienge endlich alles dramatische Gestalten. Nur, scheint mir jetzt – ich möchte sagen
– die Art Ihres Vortrags, Ihre Stimme zärtlicher und liebender zu sein, wenn es um
Verschlingungen von Schicksalen geht, als um das Fühlen der Einzelnen.
Übrigens ist die Figur des »
Hofreiter« so stark herausgekommen, dass es mir wie Kindern geht, denen die
Bösewichte des Stückes nie genug geprügelt werden. Den »
Hofreiter« an den Sie
dachten, kenne ich nur sehr oberflächlich aber dieser »Charmeur« war mir in seiner
halbfrechen, halb minaudirenden
Koketterie immer unerträglich. Alles was er sagte und tat, war ein Versuch einen zu
beschwätzen, oder zu brutalisieren. Ich glaube i
mmer die
Art wie er seine Liebe an die Frau bringt, muss ein Mittelding
von↓zwischen↓ der Energie eines
|Handlungsreisenden und der eines Erpressers
haben.
sein. Für Menschen dieses Schlages wäre eine Hölle leicht zu erfinden: Der Ort, wo
Alles, um seiner selbst willen gesagt und getan wird, und wo nichts sich spiegeln
kann. Ich begreife, dass Frauen die Existenz von
Hofreiters als eine einzige grossartige Reverenz vor ihrer
Sexualität empfinden, aber ich verarge – Ihnen, lieber Arthur – sehr, dass Frau
Genia ihn liebt. Ich glaube
immer,
a Sie haben, aus gemeinsamer Jugend her, noch
mehr Sympathie für Herrn
Fried– – –rich
Hofreiter als er verdient. Wenn schon – dann ziehe ich die
Aigners vor. Bei denen ist es animalischer,
mehr um der Sache selbst willen, und, wie Alles Sachliche, zuletzt, nicht
hässlich.
Übrigens ist das »
Und man |kann doch nicht
Jeden – – –«
Hofreiters,
in der letzten Scene, prachtvoll. Hier wirkt er doch grösser, und hat ein anderes
Gesicht als die kleinlich verknitterten Züge einer lüsternen Maus (über die, von den
klein sich kräuselnden Haaren, ein Schatten Judenthums fällt) – an die mich das
Original immer erinnerte.
Missrathenes Halbblut, das einen – nicht mich – nachdenklich machen könnte!
Hier – noch dazu in Association mit der Table d’hôte – wirkt das nicht wie ruhige Offenheit, sondern es wird daraus ein
komisch-pedantisches, sich an den Tisch der Liebe setzen, und auf den letzten Gang
freuen.
|Als ich hier ankam, und vor dem
»
Hôtel Post« auf mein Gepäck wartete, war
Ihr »
Gustl Wahl« das erste bekannte Gesicht, das ich sah. Er
wird meine grosse Heiterkeit bei seinem Anblick nicht verstanden haben.
Lieber Arthur: Ich danke Ihnen für die schöne Nachmittagsvorstellung die Sie mir
verschafften, bin sicher, dass Sie noch sehr viel Freude an Ihrer
Tragikomödie haben werden, habe Ihnen noch
eine ganze Menge darüber zu sagen: (hoffentlich ko
mmen
Sie bald hieher) – und grüsse – mit
Paula
zusa
mmen – Sie und Ihre
Frau herzlichst
Ihr
Richard
Schlaf mein Kind – schlaf, es ist spät!
Sieh, wie die Sonne zur Ruhe dort geht,
Hinter den Bergen stirbt sie im Rot.
Du – du weisst nichts von Sonne und Tod,
Wendest die Augen zum Licht und zum Schein,
Schlaf, es sind soviel Sonnen noch dein,
Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
Schlaf mein Kind – der Abendwind weht;
Weiss man, woher er kommt, wohin er geht?
Dunkel, verborgen die Wege hier sind,
Dir, und auch mir, und uns allen mein Kind!
Blinde – so gehn wir und gehen allein,
Keiner kann Keinem Gefährte hier sein –
Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
Schlaf mein Kind und horch nicht auf mich!
Sinn hat’s für mich nur, und Schall ist’s für dich;
Schall nur, wie Windeswehn, Wassergerinn,
Worte – vielleicht eines Lebens Gewinn!
Was ich gewonnen, gräbt mit mir man ein,
Keiner kann Keinem ein Erbe hier sein –
Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
Richard Beer-Hofmann.