Albert Ehrenstein an Arthur Schnitzler, 27. 3. 1909

|XVI Ottakringerstr 114. 27 III. 09.

Sehr geehrter Herr Doktor,

gerne möchte ich pflichtschuldigst einen ausführlichen Bericht erstatten über meine »Besuche« bei den Herren Geld- und Schreibheimers. Es liegen bei mir aus verschiedenen Jahren Briefe an Sie, sehr geehrter Herr Doktor, die ich nicht abschickte, fröhlich-ergebene und verärgerte, Geschäftsbriefe und solche vornehmeren Charakters. Auch diesmal verfaßte ich eine Menge mehr, minder gewundener Schreiben. Sie gerieten aber wie jene anderen im Format zu groß, und (ich sage es pro privata Augustissimi notitia) |inhaltlich bargen sie Dinge, die weder für die genannten Herren noch für mich besonders schmeichelhaft waren. Wenn eine getreue Schilderung des mir Widerfahrenen für Sie, sehr geehrter Herr Doktor, Interesse haben sollte, würden Sie mich aufs Neue verbinden, indem Sie mir gestatten, Ihnen einmal mündlich über meine Erfahrungen im Lande der Aristokratoiden und Zeitungsleute Rede zu stehen. Starke psychische Depressionen, hervorgerufen durch das empfangsfeindliche Benehmen der Herren Glossy, Auern- und Oppenheimer, und |nicht zumindest durch meine altbewährten Ungeschicklichkeiten, die leider auch auf Sie, sehr geehrter Herr Doktor, Bezug haben, Bitterkeit und Rachsucht, wie Demut und übertriebene Sucht gerecht zu sein, machen die Abfassung eines vernünftigen Briefes zur Unmöglichkeit Ihrem Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, nun auch noch für recht merkwürdige tragikomische Erlebnisse dankbaren, ergebensten
Albert Ehrenstein.
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