Arthur Schnitzler an Hugo von Hofmannsthal, 22. 3. 1899

|22. 3. 99
Mein lieber Hugo! ich danke Ihnen sehr dss Sie noch einmal bei mir waren. Was soll ich Ihnen heute weiter sagen. Ein Tag ist schrecklicher als der andre; es ist viel grauenvoller und hoffnungsloser als irgend ein Wort darüber. Ich habe das Gefühl, fertig zu sein; Zeichen genug werden mir gesandt! Vom Morgen aus der Ausblick ins leere, |leere – die Erinnerungen an ihr Leben voll Pein, an ihren Tod von einer grenzenlosen Entsetzlichkeit . . die letzten Blicke, die letzten Worte unvergeßlich – die letzte Angst auf immer alles zerstörend, was noch kommen könnte. Eine ungeheure Gleichgiltigkeit gegen alles, was mir auch Inhalt des Lebens schien – schauen ins leere, |greifen ins leere, jammern ins leere.
Vielleicht fahre ich auf einen Tag nach Graz, wo ihre Schwester und jetzt auch ihr Vater u von morgen an ihre Mutter ist. Alle Menschen sind sehr gut zu mir; – ich möchte danken können. Eine Einsamkeit ohne gleichen – ich muß dran denken, wie ich doch immer die Menschen zu schildern versucht habe, die ihr geliebtestes verlieren – |es gibt eben etwas, das nicht auszudrücken ist – so gut wie die Ewigkeit, die Unendlichkeit: – die Einsamkeit, das Vereinsamtsein; vereinsamt werden.
Leben Sie wohl, liebster Hugo. Kommen Sie bald zurück!? Bitte schreiben Sie mir nur äußere Vorkommnisse, nichts darüber.
– Sagen Sie es Brahm u Hirschfeld, damit sie’s wissen, wenn ich komme.
Von Herzen Ihr
Arthur
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