Woltun bringt Zinsen, aber ich bin undankbar genug, Dir die Wohltat, die mir Dein lieber Brief erweist, übel zu vergelten: durch Jammern über mein
Münchener Ungemach. Du fragst, warum
wir nach
München übersiedelten. Wir waren Beide »stellungslos«, als ich zur Leitung des
Burgtheaters berufen wurde – viel zu spät, um noch etwas künstlerisch leisten oder doch retten zu können. Um diese Zeit begann auch die
österreichische Währung schon zu wanken. Das bischen »Vermögen«, das mir mein
Vater hinterlassen hatte, begann zu schmelzen; der Rest ging dann bei der
deutschen Inflation vollends auf. Ganz unverhofft ging da an meine
Frau der Ruf, an der
Münchener Akademie eine Professur anzunehmen, sie griff mit beiden Händen zu, wir waren die Sorge los, wovon wir morgen unser Mittagmal bestreiten sollten; nach einer Reihe von Jahren erhält meine
Frau als Pension ihren vollen Gehalt. An sie kam übrigens auch ein Ruf
an die
Berliner Musikhochschule, den sie natürlich ausschlug, weil
Berlin noch weiter von ihrem unvergeßlichen
Wien ist als
München. Mir persönlich ist es im Grunde wurscht, in welcher Stadt ich lebe, ich würde schließlich auch auf dem Monde ganz gemütlich leben können. Es fällt mir nur schwer meine
Frau sich so von Sehnsucht nach
Wien verzehren zu sehen. Ich sprach vor einigen Jahren
mit dem Prälaten
Seipel, den ich sehr
lange kenne, über die Möglichkeit einer Berufung meiner
Frau nach
Wien, sei’s auch nur in der Form, daß sie zwei Mal im Jahre, jedes Mal drei Wochen, Lehrkurse an der
Wiener »Hochschule und Akademie für Musik und darstellende Kunst« halten sollte.
Seipel ließ mir dann sagen, der betreffende »Akt« liege schon im
Unterrichtsministerium. Dort liegt er offenbar noch heute. »Segens so heiter ist das Leben in
Wien!
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Verzeih die lange Epistel Deinem getreuen
Hermann