Mein liebster Schnitzler Viel Arbeit und lang dauernde wenn auch nicht schwere Krankheit, die noch nicht vorüber ist, haben mich verhindert, Ihnen in Dank mein Herz auszuschütten. Irgend jemand, der von Ihnen kam oder auf Sie sich berief, war neulich bei mir. Wie er hiess, habe ich vergessen.
Ich habe Ihnen für zwei
Bücher zu danken. Besonders das erstere die
Komoedie der Verführung gibt viel zu denken über den Reichtum und die Tiefe Ihrer Erfahrungen, vielleicht noch mehr über die Fülle und Geschmeidigkeit Ihrer Erfindungskraft, die ich am meisten bewundere, weil sie mir völlig fehlt. Man bewundert wol immer am meisten Fähigkeiten, die uns verweigert sind.
Ich habe mit Ueberraschung gesehen dass Ihre paar kurzen Aufenthalte in unserem kleinen langweiligen
Land Ihre Phantasie in Bewegung gesetzt hat, und dass sogar die
Nordküste von Seeland unter Ihren Händen einen Zauberschimmer erhalten hat.
Sie sind ein grosser Menschenkenner, besonders ein Frauenkenner wie wenige. Meine Erfahrungen stimmen nicht immer mit den Ihrigen überein. Aber der Menschenschlag war verschieden, ich habe meistens
Skandinavinnen und
Russinnen gekannt, nie
Oesterreicherinnen. Die wenigen dieser Nation, die ich getroffen habe, waren sehr prosaisch; alle Ihre Frauen haben eine poetische Aureole.
Das
andere Buch dessen erzählende Form an Ihr Meisterwerk über den
Lieutenant Gustel erinnert, ist ganz einfach aufgebaut, durch traurige Wahrheit ergreifend. Sie haben den tragischen Ausgang gewollt, haben dem armen Mädchen die Auswege versperrt. Am feinsten scheint mir in der Erzählung die Lebenslust, die das junge
Mädchen an den
Vetter und an den
Fred zieht. Warum sind Sie so hart gewesen, sie sterben zu lassen! – –
Sie werden bemerkt haben, dass die Jahre zwischen 80 und 90 nicht die Blüthezeit der Weiber ist. Sie ist ja leider auch nicht die der Männer, wenn man sich auch gern Illusionen macht.
Ich habe ein paar
Bücher über das 18. Jahrhundert in
Frankreich herausgegeben über
Talleyrand, über
Lauzun etc. aber ich habe bisher die Uebersetzung verhindert da die Form noch nicht endgültig ist.
In der letzten Zeit habe ich ein
Buch auf dem Stapel, das beweisen will dass das Leben
Jesu (ungefähr wie das Leben Wilhelm Tells) nur Sage ist. Ich habe ein paar Kapitel schon veröffentlicht und werde bald damit zu Ende sein, erwarte nur Rückkehr der Gesundheit. Es wird leider viel Geheul verursachen.
Dieser Brief ist ein sehr schwacher Ausdruck meiner freundschaftlichen Gefühle. Mit den Jahren blieben wenige zurück, denen man sich geistig verwandt fühlt und von denen man etwas lernt. Sie sind einer von diesen ganz wenigen für mich.
Jemand sagte mir, ein
Buch das ich 1918 über
Cäsar schrieb sei deutsch erschienen
. Ich habe weder ein Exemplar noch ein Honorar gesehen.