Thomas Mann an Arthur Schnitzler, 22. 10. 1924



*Sestri-Lev. den 22. X. 24.

Verehrter Herr Dr. Schnitzler,

es iſt mir ein Bedürfnis, Ihnen für die ſchönen Stunden zu danken, die ich hier mit der Lektüre Ihrer neuen Komödie verbrachte, dieſes glänzenden, leidenſchaftlichen Geſellchaftsſtückes, das die Maße und Grenzen dieſer Gattung auf ſo feſtliche Weiſe weitert oder ſoll man ſagen: zerbricht. Ich kann es kaum erwarten, das Werk auf dem Theater zu ſehen, und doch bangt mir auch wieder davor. Werden unſere Schauſpieler eine »Konverſation« beherrſchen, die ſich jeden Augenblick zur Sprache des großen Dramas erhebt? Jedenfalls hoffe ich, daß das Münchener Reſidenztheater recht bald die Gelegenheit ergreift, zu *zeigen, was es kann.
Nächſten Monat verſendet Fiſcher meinen Roman »Der Zauberberg«. Natürlich werde ich ihn bitten, Ihnen ein Exemplar zu ſchicken, aber Sie bitte ich, erblicken Sie keinerlei Zumutung darin! Ich denke ſehr zögernd über die Menſchenmöglichkeit des unförmigen Opus und entbinde jeden, dem ich es zugehen laſſe, feierlich von jeder Aeußerung darüber.
Ihr ergebenſter
Thomas Mann.
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